Wie sinnvoll ist die Delfintherapie mit in Gefangenschaft lebenden Delfinen in der heutigen Zeit? Und welche Alternativen gibt es?

von | 14. August 2024 | News - Delfinarien

Die Relevanz von Delfintherapien aus Sicht einer Therapeutin

Delfine üben eine faszinierende Anziehungskraft auf den Menschen aus – auch aus therapeutischer Sicht. Die Begegnung mit den intelligenten Meeressäugern soll Heilung, Entspannung und Stressreduktion bringen. Doch wie genau kann eine Delfintherapie wirken? Und ist die Liebe zu den frei lebenden Meeressäugern mit deren Gefangenhaltung vereinbar? Gibt es Alternativen? Die Autorin Marlise Bühler – Pädagogin, Kinesiologin und Therapeutin – stellt Fragen und Diskussionspunkte zur klassischen Delfintherapie vor.

Ergreifende Begegnungen mit großem Manko

Seit meiner Kindheit bin ich vom Meer und seinen Bewohnern fasziniert. Als ich vor rund 20 Jahren von der Delfintherapie für autistische Kinder gehört hatte, war ich daran interessiert, diese kennenzulernen. Ich habe mich mit einer Ärztin getroffen, die in der Karibik eine Delfintherapie für Kinder mit Beeinträchtigungen anbot. Dabei konnte ich beobachten, wie berührend die Begegnungen der Kinder mit den Therapeuten und den Delfinen waren. Traurig machte mich jedoch die Gefangenschaft der Delfine. Darum wollte ich erfahren, was sich Menschen, die sich für eine Delfintherapie entscheiden, erhoffen. Primär sind dies folgende Aspekte:

  • Förderung von Beziehungsfähigkeit und Kommunikation: Gerade für Menschen im Autismus-Spektrum oder für Menschen mit Entwicklungsverzögerungen soll der Kontakt mit Delfinen die soziale Interaktion und Kommunikationsfähigkeit verbessern.
  • Linderung von psychischen Erkrankungen
  • Stressabbau und Entspannung
  • Steigerung des allgemeinen Wohlbefindens 

“Delfinstreicheln”  – hier in einem türkischen Delfinarium – setzt das Tier enorm unter Stress. Foto: A. Steffen

Welche Therapieform wirkt wie

Ich war über die Antworten erstaunt, denn diese erhofften Wirkungen sind mit Alternativ-Methoden wie beispielsweise Massagen, Watsu, Delphineoos, Kinesiologie, Craniosacraler Arbeit ebenfalls erreichbar. Zusätzlich bin ich bei meiner Recherche auf die Roboter-assistierte Therapie und auf die virtuelle Realität Erlebnis-Therapie gestoßen. In den zwei letztgenannten neuen Therapieformen geht es darum, dass anstelle eines direkten Kontaktes mit Delfinen, technische Hilfsmittel (Roboter, computeranimierte virtuelle Realität) eingesetzt werden. Darüber hinaus gibt es mehrere tiergestützte Therapien mit Hunden, Pferden oder auch Katzen, die ähnlich positive psychologische Effekte haben. Schon Hildegard von Bingen (1098 – 1179) sagte: „Gib dem Menschen einen Hund, und seine Seele wird gesund.“ 

Wirksamkeit von Delfintherapien nicht nachgewiesen

Ist die Delfintherapie mit gefangenen Delfinen in der heutigen Zeit ökologisch und ethisch vertretbar?  Wie sehr leiden in Gefangenschaft gehaltene Delfine psychisch und physisch? Und was sagt eigentlich die Forschung zur Delfintherapie? Dies sind weitere Fragen, die mich umtreiben. Die Frage nach Ethik und Ökologie darf sich jeder selbst beantworten. Zur zweiten Frage liefert die GRD auf dieser Website hinreichende Argumente. Delfine sind hoch entwickelte, soziale Wesen mit faszinierenden und komplexen Lebensweisen. In Gefangenschaft können sie niemals artgerecht leben, da ihnen der Raum und die Vielfalt ihrer natürlichen Umgebung fehlen. Wer sie einmal in freier Wildbahn gesehen hat, weiß, wie weit sie schwimmen, wie abwechslungsreich ihr Alltag ist und wie sie mit ihrer Umwelt interagieren – all das kann Gefangenschaft ihnen nicht bieten. (Lese-Tipp: Delfintherapie – Geschäftemacherei auf Kosten der Patienten und der Delfine)

Zur dritten Frage – ob es Forschungsergebnisse hinsichtlich der Delfintherapien gibt – sind bis dato nur wenige wissenschaftliche Arbeiten veröffentlicht worden. Insgesamt zeigt sich jedoch, dass die Antworten hinsichtlich der Wirksamkeit von Delfintherapien alles andere als aussagekräftig sind. Vielmehr gibt es einige kritische Befunde, die besagen, dass viele Studien methodische Mängel wie fehlende Kontrollgruppen oder zu geringe Stichproben aufweisen, was die Aussagekraft einschränkt. Eine Übersichtsarbeit von 2022 kommt zu dem Ergebnis, dass es keine überzeugenden Belege für die Wirksamkeit der Delfintherapie bei psychischen Erkrankungen gibt.

Fokus auf jene, die Hilfe benötigen

Meine abschließenden Gedanken gelten Menschen mit besonderen Bedürfnissen. Was brauchen sie von uns? Vor allem eines: Akzeptanz! Meine langjährige Erfahrung in der Arbeit mit neurotypischen und neurodiversen Menschen unter anderem auch mit Kindern aus dem Spektrum des frühkindlichen Autismus haben mir gezeigt, dass die Botschaft: „Ich mag dich, weil du bist, wie du bist.“ zentral ist. Wenn wir dies erreichen – optimal: ohne Tiere als Helfer – schaffen wir eine gute Grundlage, dass es diesen Menschen in unserer Gesellschaft besser geht. Die wirklich guten Dinge sind oft erschreckend einfach.

Ich wünsche uns allen, dass wir bei all unserem Tun unseren reinen Herzen folgen. Da gibt es meiner Meinung nach die besten Antworten.

Zur Autorin:

Marlise Bühler ist Pädagogin, Kinesiologin, Therapeutin, Potential-Entfalterin, Autorin, Reiseleiterin. Sie macht mit Ihrem Sein und Wirken aufmerksam auf einen liebevollen und achtsamen Umgang mit sich selbst und der Natur. Ihre Faszination und Liebe gilt schon seit Kindheit den Meeren und ihren Bewohnern. Dazu hat sie einige Bücher herausgegeben und sie bietet Reisen an, die ein achtsames Begegnen mit freien Meeressäugern fokussiert. Weitere Infos auf www.marlise-laakea.ch

 

 

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