Sag’s mit Schwämmen statt mit Blumen

Sozialverhalten

Beispielloser Einsatz von Werkzeugen in der Delfinwelt

Sag’s mit Schwämmen statt mit Blumen

Biologen von der University of Western Australia in Perth haben den vielen Beispielen für das immer wieder verblüffende Innovationsvermögen von Delfinen ein weiteres hinzugefügt:

Männliche Australische Buckeldelfine (Sousa sahulensi) werben um die Gunst von Weibchen mit großen, außergewöhnlich geformten und farbenfrohen Meeresschwämmen oder Korallen. Gelegentlich schleudern sie die Liebesgeschenke sogar in deren Richtung. Und das ist nun wirklich nicht häufig im Tierreich anzutreffen! Den Einsatz von Objekten, um fortpflanzungsfähige Weibchen zu umgarnen, kennt man sonst von einigen wenigen Vogelarten. Bei nicht-menschlichen Säugetieren ist dieses Verhalten extrem selten.

Australische Buckeldelfine leben wie alle Angehörigen der Gattung Sousa sehr küstennah in kleineren, meist weitaus weniger als 200 Individuen starken Populationen an der Nordwestküste Australiens. Sowohl Männchen als auch Weibchen paaren sich mit mehreren Partnern.

Ein Team von Meeresbiologen unter der Leitung von Simon Allen beobachtete über einen Zeitraum von 10 Jahren verschiedene, auf einen Küstenabschnitt von ca. 1500 km verteilt lebende Populationen Australischer Buckeldelfine. Im Oktober 2017 veröffentlichten sie die Ergebnisse ihrer Studie in den Scientific Reports 7.

Kooperation trotz Konkurrenz

Doch nicht nur die ungewöhnliche Verwendung von Meeresschwämmen erstaunte die Forscher. Schwammwerber bilden zeitweise Allianzen, obwohl die Zahl anwesender paarungsbereiter Weibchen nicht für alle reicht. Die Bildung von Koalitionen trotz konkurrierender Interessen bildet eine evolutionäre Hürde, die nur ganz wenige Tierarten überwunden haben. Man kennt dieses sehr komplexe soziale Verhalten von Löwen, Pavianen und – wie kann es anders sein – von Indopazifischen Großen Tümmlern (Tursiops aduncus).

Männchen der in der Shark Bay in Westaustralien lebenden Population bilden sogar stabile Bündnisse auf mehreren Ebenen innerhalb des offenen sozialen Netzwerkes ihrer Gesellschaft, die über Jahrzehnte stabil bleiben. Für Simon Allen sind dies die komplexesten sozialen Gesellschaftsstrukturen unter nicht-menschlichen Säugetieren überhaupt. „Der Grund, warum dies so komplex und dem Menschen ähnlicher ist als z. B. die Kooperation bei Schimpansen, ist der Tatsache geschuldet, dass bei Schimpansen die Netzwerke relativ klein und geschlossen sind, wir bei Delfinen in Shark Bay aber ein ‚Open fission-fusion‘-Netzwerk haben, ganz ähnlich wie beim Menschen“, erklärt Professor Michael Krützen von der Universität Zürich, der an der Studie von Simon Allen mitgearbeitet hat.

Schau her, was für ein toller Typ ich bin

Das mit dem Werkzeuggebrauch fällt Delfinen mangels dafür geeigneter Extremitäten zwar schwer, ist aber möglich. Für das Herausreißen großer Schwämme aus ihrer Verankerung am Meeresboden bedarf es einiger Kraft, Geschick und Geduld. Einige Arten dieser seltsamen, einen eigenen Tierstamm bildenden Meereslebewesen können sich außerdem mittels eines formidablen Arsenals chemischer Kampfstoffe verteidigen. Einfach machen es sich die männlichen Buckeldelfine also nicht.

Ist der „richtige“ Schwamm gefunden, platzieren die Männchen, die diese Technik beherrschen und einsetzen, diesen auf ihrer Schnauze und präsentieren ihn in der Nähe schwimmenden, paarungsbereiten Weibchen. Ganz wilde oder vielleicht besonders ungeduldige Schwerenöter schleudern den Schwamm, ganz so als sollte auch ja kein Zweifel an ihren Absichten aufkommen, dann noch in Richtung der Angebeteten.

Banana poser

Um die Sache völlig auf die Spitze zu treiben, kann die Schwamm-Protzerei körpersprachlich durch eine „Bananenhaltung“ unter Einsatz trompetenartiger, über das Blasloch erzeugter Geräusche verstärkt werden. Dabei krümmt das Männchen seinen Körper bananenförmig durch, von ihm sind dann nur noch Kopf, die Finnenspitze und ein Teil der Schwanzfluke zu sehen. Bei Männchen des Homo sapiens würde man Derartiges sicher als waschechtes Macho-Gehabe bezeichnen.

Die „gute“ Nachricht ist: Längst nicht alle männlichen Australischen Buckeldelfine legen sich bei der Balz derart ins Zeug, aber wenn, dann mit Verve und dann auch gerne zu mehreren. Während des langen Beobachtungszeitraums von 10 Jahren wurde das Präsentieren von Meeresschwämmen bei 17 Männchen beobachtet, vier von ihnen schleuderten dabei ihren Schwamm in Richtung eines Weibchens.

Beispiellos in der Delfinwelt

Der Einsatz von Objekten im Kontext des Balzverhaltens wurde bisher nur bei einer anderen Delfinart, dem im Amazonas lebenden Flussdelfin Inia (Inia geoffrensis) dokumentiert. Männliche Amazonasdelfine setzen dabei Wasserpflanzenbüschel, Steine, Lehmklumpen und andere Gegenstände ein. Allerdings beherrschen auch junge und weibliche Inias diese Art des Werkzeuggebrauchs, was dann wohl eher aus objektorientiertem Spielverhalten heraus geschieht.

Einen Gegenstand ausschließlich zum Werben um eine Partnerin und sonst in keinem anderen Verhaltenskontext, z. B. beim Spiel oder zur Nahrungssuche, zu benutzen, ist einmalig unter Delfinen – bislang. Leider (noch) nicht klären konnte das Forscherteam die wichtigste aller Fragen: Haben Schwammwerber mehr Erfolg bei den Weibchen als Männchen, die eher schüchtern und ohne Gaben daher geschwommen kommen?

Originalstudie veröffentlicht in:
Scientific Reports 7, Article no.: 13644 (2017) doi:10.1038/s41598-017-13898-9

Fotos von oben nach unten:
Brautwerbung mit farbenprächtiger Koralle. Foto: Simon Allen, University of Western Australia
„Schaut, was ich Schönes für euch habe“: Ein Buckeldelfinmännchen schwimmt mit einem auf seiner Schnauze platzierten Schwamm auf eine Gruppe Weibchen zu: Alex Brown, Murdoch University
Brautwerbung mit Schwamm: Simon Allen University of Western Australia
Macho Macho – Buckeldelfinmännchen zeigt die „Bananenhaltung“: Alex Brown – Murdoch University
Brautwerbung mit Schwamm: Josh Smith, Murdoch University

 

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