Großer Tümmler in Gefahr: Seil an Fluke kann „Oliver“ zum Verhängnis werden
Intensive Rettungsversuche für den Adria-Delfin
In den letzten Monaten erhielten wir immer wieder Berichte über einen Delfin im Novigrader Meer, der mit einem Seil an seiner Schwanzflosse unterwegs ist. „Oliver“ – so der Name des Großen Tümmlers – wird bereits seit geraumer Zeit von unseren kroatischen Projektpartner:innen beobachtet. Zusammen mit anderen Tierschützer:innen, Tierärzten und Rettungskräften sind mehrere Versuche gestartet worden, um das Seil zu entfernen. Bis dato leider ohne Erfolg – aber Aufgeben ist keine Option.
Wieder einmal ist ein Seil der Fischerei Auslöser für großes Leid
Die Bilder, die wir aus dem Novigrader Meer erhalten haben, erinnern stark an den jungen Indopazifischen Großen Tümmler „Latif“ aus dem Roten Meer (wir berichteten): Das Seil sitzt vor der Fluke und schneidet sich immer tiefer ins Fleisch. Aufgrund der starken Beanspruchung reagiert der Körper mit einer vermehrten Bildung von Gewebe, so dass es nicht mehr ohne weiteres möglich ist, das Seil zu durchtrennen. Kurzum: Das Entfernen erfordert Präzision und Zeit, um das Tier nicht weiter zu verletzen.
Die Herausforderung besteht zunächst einmal darin, dem Delfin überhaupt nahe zu kommen. Auch wenn die Mitglieder der Tierschutzorganisationen den etwa sechs Jahre alten Großen Tümmler kontinuierlich überwachen und seinen Aufenthaltsort kennen, sind wildlebende Delfine in der Regel scheu und meiden den Kontakt zu Menschen. Dies erschwert die Rettungsversuche, da die Tiere flüchten, sobald Boote oder Taucher:innen sich nähern. Gleichzeitig müssen die Rettungskräfte versuchen, den Stresslevel des Tieres so niedrig wie möglich zu halten. Stressreaktionen können dazu führen, dass das Tier panisch reagiert und die Situation sowohl für Retter als auch den Delfin gefährlich wird.
Eine Beobachtung von Bürgerforschern von “Oliver” mit Seil wurde im August in die Sichtungsdatenbank von GRD und unseren kroatischen Projektpartnern eingetragen.
Nächste Rettungsversuche sind terminiert
Die bisherigen Rettungsversuche – unter anderem Ende Juli unter Mitwirkung von Tomislav Gomečić von der Universität Zagreb – scheiterten daran, dass es den Tierschützer:innen trotz spezieller Ausrüstung und mehrstündiger Annäherungsversuche nicht gelang, dem Delfin nahe genug zu kommen. Von Aufgeben kann aber keine Rede sein: Dr. Martina Đuras, GRD-Projektpartnerin für das Schutzprojekt „Rettung der Letzten Adria-Delfine“, erklärt, dass nach dem Ende der Urlaubssaison, wenn der Touristenandrang nachlässt, ein neuer Versuch unternommen wird. „Es wurde vereinbart, die Saison abzuwarten und dann mit Hilfe von Taucher:innen und Fischer:innen den Delfin vom Seil zu befreien“, so die Tierärztin von der Universität Zagreb.
Hoffnung gibt allen Beteiligten die Tatsache, dass sich „Oliver“ frei bewegen, jagen und tauchen kann. Für alle Delfinfreund:innen bedeutet dies, dass wir abwarten und die Daumen drücken müssen, dass die Rettungskräfte bei ihrem nächsten Einsatz erfolgreich sind. Selbstverständlich halten wir euch auf dem Laufenden.
Foto oben: Screenshot Facebook / HRT
Helfen Sie Adria-Delfinen jetzt mit Ihrer Patenschaft
STRELICA
Strelica (Pfeil) wurde gemeinsam mit den Patendelfinen Dobro Jutro und Poveliki beim Wellenreiten beobachtet.
VESELJAK
Veseljak (Spaßvogel) verdankt seinen Namen seiner schier unbändigen Lust an akrobatischen Sprüngen. Oft hielt er mit seiner Energie den Rest der Delfingruppe “auf Trab”.
Weitere Artikel
Schon wieder: Adria-Delfin erschossen
Vor einem Jahr erschütterten uns die Bilder eines Delfins, der im Süden Kroatiens mit zwei schussartigen Wunden tot aufgefunden wurde. Nun wiederholt sich der Vorfall im Golf von Triest: Vor zwei Monaten entdeckte man in slowenischen Gewässern einen Großer Tümmler, der ebenfalls erschossen wurde. Wer tut Delfinen so etwas an?
weiterlesenAdria-Delfin “Košara”: Eine Geschichte von Hoffnung und Überleben
Kaum jemand hätte im Herbst 2013 darauf gewettet, dass „Košara“ die kommenden Wochen oder gar Monate übersteht. Zu groß waren die Verletzungen an Rücken, Schnauze und Hals, zu kümmerlich der Rest der Fluke, zu gravierend die Gewebewucherungen von eingewachsenen Resten eines Fischernetzes. Als zudem noch eine Rettungsaktion scheiterte, schien das Schicksal des Großen Tümmlers besiegelt. Doch „Košara“ bewies eine bemerkenswerte Resilienz.
weiterlesenTotfunde und Sichtungen im Jahr 2022: Aufatmen bei den Adria-Delfinen
Von 2018 bis 2021 wurden in der nördlichen Adria kontinuierlich mehr Delfinkadaver gemeldet – dieser Negativtrend hat im vergangenen Jahr glücklicherweise gestoppt. Dies geht aus dem aktuellen Projektbericht über die Entwicklung des Projekts „Rettung der letzten Adria-Delfine“ der Meeres- und Delfinschutzorganisation „Val“ und der Tiermedizinische Fakultät der Universität Zagreb hervor. Dennoch schmerzt jeder gemeldete Totfund, da die Population nach wie vor stark gefährdet ist.
weiterlesen