Delfin und Oktopus sterben gemeinsam im Todeskampf
Good bye "Gilligan"
Es muss ein gewaltiges Ringen um Leben und Tod gewesen sein. Der fast 2,5 m große männliche Indopazifische Große Tümmler (Tursiops aduncus) “Gilligan” gegen einen namenlosen 1,30 m großen und über 2 Kilogramm schweren Maorikraken (Macroctopus maorum). Es blieb ein Kampf ohne Sieger. “Gilligan” und der Krake starben gemeinsam, im Tode vereint. Am 30. August 2015 wurde der Delfin tot am Strand von Stratham in Westaustralien gefunden. Aus seinem Maul ragten die Tentakeln des toten Kopffüßers.
Tödlicher Fehler
Nahiid Stephens und Kollegen vom Fachbereich Veterinärmedizin der Universität Murdoch in Perth veröffentlichten die Ergebnisse ihrer Untersuchung des Vorfalls nun im Fachmagazin “Marine Mammal Science”.
Offenbar hatte “Gilligan” den Kraken nur unzureichend “zubereitet” und versucht, ihn weitgehend in einem Stück zu verspeisen. Ein fataler Fehler, wie sich bei der Autopsie zeigte. Ein Tentakel steckte in der Speiseröhre des Meeressäugers, die restlichen sieben hatten sich im Hals festgesaugt und blockierten die Atemwege. Beide Tiere hatten keine Überlebenschance. Maorikraken sind die größten Oktopusse vor Westaustralien und die drittgrößte Krakenart überhaupt. Sie können über 10 kg schwer werden und sind mit ihren acht, bis über 3 m langen Armen sehr wehrhaft.
Kein Krakenjäger
“Gilligan” gehörte nicht zu den hochspezialisierten Westaustralischen Indopazifischen Großen Tümmlern, die gelernt haben, Tintenfische von der Größe eines Maorikraken fachgerecht zu zerlegen, bevor es ans Verspeisen der proteinreichen, hochwertigen Beute geht.
Gute Krakenjäger, und davon gibt es nicht viele, schlagen einen großen Oktopus mehrfach kräftig auf die Wasseroberfläche oder schleudern ihn wiederholt einige Meter weit durch die Luft, bis er sein Bewußtsein und seine Wehrhaftigkeit verliert. Ohne den Einsatz dieser Technik ist die Jagd auf die Kopffüßer für die Delfine lebensgefährlich. Einem Forscherteam um Kate R. Sprogis von der Cetacean Research Unit der Murdoch Universität hatte diesen weiteren Nachweis für die extreme Lern- und Anpassungsfähigkeit von Delfinen, wenn es darum geht, Beute zu machen, erst im März in “Marine Mammal Science” veröffentlicht.
"Gilligan"
Den australischen Forschern war “Gilligan” seit Juli 2007 bekannt als er das erste Mal gesichtet und anhand seiner Finnenmarkierungen identifiziert wurde. Seitdem sah man sich regelmäßig, insgesamt 25 mal. Oft traf man ihn in Gesellschaft zweier anderer männlicher Tümmler. “Gilligan”, so schätzt man, war wohl über 20 Jahre alt als er seinen tödlichen Irrtum beging. Interessanterweise war “Gilligan”, wie die Autopsie zeigte, in einem hervorragenden Ernährungszustand. Am Hunger kann es also nicht gelegen haben…
An der Küste Westaustraliens werden immer wieder Delfine und Seelöwen angeschwemmt, bei denen die Kraken-Jagd tödlich endete.
Foto oben: John Symons, Murdoch University, first published in Marine Mammal Science
Weitere Artikel
Schwarzdelfine bevorzugt: Wichtige Erkenntnisse zum Jagdverhalten von Orcas im Humboldtstrom
Erstmals ist es Wissenschaftler:innen gelungen, eine bis dato weitgehend unbekannte Population von Orcas vor der chilenischen Küste zu erforschen – insbesondere hinsichtlich ihres Jagdverhaltens. Die Beobachtungen deuten darauf hin, dass diese Orcas außergewöhnlich geschickte Säugetierjäger sind, die Delfine attackieren und ihre Beute anschließend untereinander aufteilen. Dies könnte darauf hindeuten, dass sie zum Ökotyp Typ A gehören – ein potenziell wichtiges Puzzlestück für das Verständnis und die Erhaltung der Orca-Populationen in der südlichen Hemisphäre.
weiterlesenMeeresraumplanung in der Nordsee: Gibt es noch Platz für die Schweinswale?
Die Schweinswale in der Nordsee sind gefährdet – was nicht verwundert, denn der Nutzungsdruck auf unser heimisches Meer ist enorm. Ob als Nahrungsquelle, zur Energiegewinnung, zum Rohstoffabbau, als Verkehrsnetz, für Freizeit und Tourismus – die Liste ist lang und ließe sich leicht fortsetzen. Die entscheidende Frage ist: Können die vielfältigen und zum Teil miteinander konkurrierenden Interessen in Einklang gebracht werden, ohne dass der Naturschutz und damit auch die Schweinswale auf der Strecke bleiben? Da diese Frage elementar für die Zukunft des Schweinswals ist, haben wir Sebastian Unger, Meeresbeauftragter der Bundesregierung, und Lothar Koch, Biologe und Naturschützer, um ihre Einschätzung in Form eines Interviews gebeten.
weiterlesenInterview mit Lothar Koch, Biologe und Naturschützer
Sebastian Unger ist der erste Meeresschutzbeauftragter der deutschen Bundesregierung. Mit seiner Ernennung im September 2022 will die Bundesregierung die wachsende Bedeutung des Meeresschutzes und die Führungsrolle, die Deutschland dabei einnehmen will, unterstreichen. Die GRD befragte den 48-jährigen Meeresbiologen zu den bedrohten Schweinswalen vor den deutschen Küsten und zur Rolle des Walschutzgebietes vor Sylt.
weiterlesen