Die Ostsee braucht dringend mehr Schutz

GRD unterstützt die Pläne für einen „wirksamen“ Nationalpark Ostsee

Die Situation in der Ostsee ist dramatisch und zeigt, dass die bisherigen Schutzmaßnahmen nicht ausreichen. Eine sinnvolle und viel diskutierte Maßnahme ist die Einrichtung eines Nationalparks mit weiträumigen Schutzzonen.

Die multiplen anthropogenen Einflussfaktoren führen zu einer kontinuierlichen Verschlechterung

Die Ostsee ist das größte Brackwassermeer der Erde und nur durch schmale Meerengen mit der Nordsee verbunden, was zu einem sehr langsamen Wasseraustausch führt. Im direkten Umfeld der Ostsee leben bis zu 85 Millionen Menschen und die Belastungen sind enorm. Zu viel Nähr- und Schadstoffeinträge, Überfischung, Müll, Munitionsaltlasten und die Auswirkungen des Klimawandels belasten das Ökosystem. Dazu kommen die für Meeressäuger wie den Schweinswal oft todbringenden Geisternetze, welche die GRD zusammen mit ihren Partner:innen regelmäßig birgt. (1)

Deutsche Ostseeküste (Foto: GRD)

Die multiplen anthropogenen Einflussfaktoren führen zu einer Reduzierung der Biodiversität und Verschlechterung der marinen Lebensräume (2). Der Schweinswal kann als Symbol unzureichender Schutzmaßnahmen in der Ostsee angesehen werden. Der bedrohliche Zustand der Population in der zentralen Ostsee mit nur noch wenigen hundert Tieren ist bekannt. Doch auch die Population in der westlichen Ostsee ist bedroht.

Die kürzlich veröffentlichten Ergebnisse von SCANS-IV, bei der Expert:innen aus acht Ländern die Bestände von Walen, Delfinen und Schweinswalen im europäischen Teil des Atlantiks erhoben haben, schätzen die Anzahl der Schweinswale in der westlichen Ostsee nur noch auf ca. 14.000 Tiere. Bei der vorangegangenen Erhebung im Jahr 2016 war man noch von ca. 40.000 Schweinswalen in dem Gebiet ausgegangen.(3) Dies unterstreicht den dringenden Handlungsbedarf in der Ostsee zusätzlich.(4)

Gefragt sind ganzheitliche Lösungsansätze anstelle von Einzelmaßnahmen

Die Probleme sind so vielfältig, dass es neuer und zusammenhängender Managementstrategien bedarf, um eine ökologische Katastrophe zu verhindern. Wirksame Meeresschutzgebiete sind eine wichtige Managementmaßnahme, wenn es darum geht, die maritime Vielfalt und den guten Zustand von Ökosystemen zu erhalten bzw. wiederherzustellen. Die bisherigen Schutzmaßnahmen in den ausgeschriebenen Natura 2000-Gebieten sind unzureichend. Beispielsweise wird in einer Studie zur schädlichen Fischerei in Meeresschutzgebieten konstatiert, dass in 59 Prozent der Ostsee-Schutzgebiete kommerzielle Schleppnetzfischerei ausgeübt wird. (5)

Bislang wirken die Natur-, Vogel- und FFH-Schutzgebiete wie ein Flickenteppich mit z.T. unterschiedlichen Zuständigkeiten. Die GRD sieht in der Konzeption eines Nationalparks Ostsee die große Chance, Zuständigkeiten zu bündeln und ein aktives Management zu ermöglichen. (Lese-Tipp: Speedbootfahrten können Schweinswale töten

Potenzialkulisse für einen möglichen Nationalpark Ostsee in Schleswig-Holstein (Foto: MEKUN)

Wirksames Schutzgebiet statt Papiertiger

Gleichzeitig ist es sinnvoll, dass möglichst großflächige und zusammenhängende Schutzzonen entstehen. Dies spiegelt sich auch im Bundesnaturschutzgesetz wider. Laut §24 soll ein Nationalpark Gebiete aufweisen, die „[…] großräumig, weitgehend unzerschnitten und von besonderer Eigenart sind“.(6)

Fehlen großräumige Schutzgebiete, ist es für Tiere wie den Schweinswal überhaupt nicht möglich, Störfaktoren wie beispielsweise dem Unterwasserlärm zu entkommen. Sollte es zu einem Nationalpark Ostsee kommen, dürfen keine „Papiertiger“ entstehen, wie es laut aktueller Studienlage bei vielen Meeresschutzgebieten international der Fall ist. (7) Es wird kritisiert, dass zwar viele Flächen ausgeschrieben werden, die Wirksamkeit aber nur unzureichend sichergestellt wird.

Nach Bundesnaturschutzgesetz §24 sind Nationalparks Gebiete, die „[…] sich in einem überwiegenden Teil ihres Gebiets in einem vom Menschen nicht oder wenig beeinflussten Zustand befinden oder geeignet sind, sich in einen Zustand zu entwickeln oder in einen Zustand entwickelt zu werden, der einen möglichst ungestörten Ablauf der Naturvorgänge in ihrer natürlichen Dynamik gewährleistet.“ (8)

Diese Definition sollte bei einer Umsetzung der Nationalparkpläne ernst genommen werden, um eine wirksame Schutzwirkung zu erreichen. Die GRD schließt sich daher den Forderungen anderer Naturschutzorganisationen an, bei mindestens 50 Prozent der Schutzgebietsflächen der deutschen Meeresschutzgebiete keine anthropogene Nutzung zuzulassen. (9)

Petition für den Nationalpark Ostsee

Auch wenn es dort noch Defizite gibt, so sind die Nationalparks Wattenmeer (Hamburg, Niedersachsen, Schleswig-Holstein) in Summe eine Erfolgsgeschichte und können als Orientierungsrahmen herangezogen werden. Das Wattenmeer und seine Bewohner sind heute deutlich besser geschützt als vor der Gründung der Nationalparks.(10) Das Beispiel zeigt auch, dass die Nationalparks trotz anfänglicher und zum Teil heftiger Widerstände heute eine hohe Akzeptanz sowohl bei den Tourist:innen als auch bei der lokalen Bevölkerung aufweisen. (11) Aus den genannten Gründen tritt die GRD dafür ein, die aktuelle Diskussion sachlich und faktenbasiert zu führen.

Um den Druck auf die politischen Entscheidungsträger:innen aufrecht zu erhalten, unterstützt die GRD außerdem die Petition „Retten Sie unsere Ostsee! Ja zum Nationalpark“.

Retten Sie unsere Ostsee! Ja zum Nationalpark! | WeAct (campact.de)

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Quellenangaben:

(1) Die GRD führt zusammen mit Partner:innen regelmäßig Geisternetzbergungen rund um Rügen durch. >>>

(2) Vgl. Ruskule, Anda u.a. (2023): Testing the concept of green infrastructure at the Baltic Sea scale to support an ecosystem-based approach to management of marine areas, Marine Policy, Volume 147. >>>

(3) Gilles, A, Authier, M, Ramirez-Martinez, NC, Araújo, H, Blanchard, A, Carlström, J, Eira, C, Dorémus, G, FernándezMaldonado, C, Geelhoed, SCV, Kyhn, L, Laran, S, Nachtsheim, D, Panigada, S, Pigeault, R, Sequeira, M, Sveegaard, S, Taylor, NL, Owen, K, Saavedra, C, Vázquez-Bonales, JA, Unger, B, Hammond, PS (2023). Estimates of cetacean abundance in European Atlantic waters in summer 2022 from the SCANS-IV aerial and shipboard surveys. Final report published 29 September 2023. 64 pp. >>> 

(4) Vgl. auch: Schweinswale in Nord und Ostsee – GRD (delphinschutz.org) Schweinswale in Nord- und Ostsee: Sterblichkeit auf hohem Niveau – GRD

(5) Vgl. Perry, Allison u.a. (2022): Extensive Use of Habitat-Damaging Fishing Gears Inside Habitat-Protecting Marine Protected Areas, in: Front. Mar. Sci., 16 , February 2022, Sec. Marine Conservation and Sustainability Volume 9 – 2022. >>> 

(6) § 24 BNatSchG – Einzelnorm (gesetze-im-internet.de)

(7) Vgl. Perry, Allison u.a. (2022): Extensive Use of Habitat-Damaging Fishing Gears Inside Habitat-Protecting Marine Protected Areas, in: Front. Mar. Sci., 16 , February 2022, Sec. Marine Conservation and Sustainability Volume 9 – 2022. >>> 

(8) Vgl. Di Cintio u.a. (2023): Avoiding “Paper Parks”: A Global Literature Review on Socioeconomic Factors Underpinning the Effectiveness of Marine Protected Areas, in: Sustainability 2023, 15(5), 4464; https://doi.org/10.3390/su15054464 Vgl. Arneth, Almut u.a. (2023): Making protected areas effective for biodiversity, climate and food, in: Global Change Biology, Volume 29, Issue 14. https://doi.org/10.1111/gcb.16664 viii § 24 BNatSchG – Einzelnorm (gesetze-im-internet.de)

(9) Verbändepapier: Kernforderungen für eine zukunftsfähige Meerespolitik Verbändepapier-Kernforderungen-für-eine-zukunftsfähige-Meerespolitik.pdf (wwf.de) 

(10) Vgl. Schumacher, J., Schumacher, A. & Scherer, B. (2023): Wie wirksam ist der Schutz in deutschen Meeresschutzgebieten – dargestellt am Beispiel des Nationalparks Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer, in: NuR 45, 442–452 (2023). >>> 

(11) Vgl. Krause, Jochen u.a. (2022): Die Meeresschutzgebiete der deutschen Nordsee – vom Wattenmeer bis in die ausschließliche Wirtschaftszone, in: Natur und Landschaft 97, 2022. Die Meeresschutzgebiete der deutschen Nordsee – vom Wattenmeer bis in die ausschließliche Wirtschaftszone (www.bsz-bw.de)

(12) Vgl. Krause, Jochen u.a. (2022): Die Meeresschutzgebiete der deutschen Nordsee – vom Wattenmeer bis in die ausschließliche Wirtschaftszone, in: Natur und Landschaft 97, 2022. Die Meeresschutzgebiete der deutschen Nordsee – vom Wattenmeer bis in die ausschließliche Wirtschaftszone

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