Erstmals beobachtet: Orcas nutzen Werkzeuge zur gegenseitigen Körperpflege

Studie: Herstellung und Gebrauch von Werkzeugen zur sozialen Körperpflege durch wilde Schwertwale
Forschende in den USA haben jüngst dokumentieren können, dass Schwertwale Werkzeuge herstellen und gezielt anwenden. Genauer: Die Meeressäuger formen Algenstile zu „Rollen“ und platzieren diese zwischen sich und ihren Artgenossen. Dieses Verhalten scheint der gegenseitigen Körperpflege und der sozialen Bindung zu dienen.
Werkzeuggebrauch bei Orcas
Die beobachteten Tiere gehören zu einer Gruppe von residenten Orcas, die vor der nordwestlichen Pazifikküste Nordamerikas lebt. Die Orcas rieben dabei eigens vorbereitete Stücke von Bull-Kelp-Stielen aneinander, was einem gezielten Massageverhalten entspricht. „Es handelt sich um den ersten dokumentierten Fall, in dem ein Zahnwal einen Gegenstand aus seiner Umgebung aufgreift, verändert und als Werkzeug verwendet“, erklärte Dr. Michael Weiss, Forschungsdirektor des Center for Whale Research in den USA im Fachmagazin “Current Biology”.
Die Orcas wurden mit Drohnen dabei gefilmt, wie sie die Braunalgen mit ihren Zähnen bearbeiteten, durch Kopfbewegungen Abschnitte abtrennten und diese zwischen sich und einem anderen Schwertwal positionierten. Die Forscher vergleichen die Beschaffenheit der verwendeten Bull-Kelp-Stiele mit einem mit Wasser gefüllten Gartenschlauch: biegsam, aber dennoch widerstandsfähig. Die beiden Orcas bewegten sich anschließend so, dass der Stielabschnitt zwischen ihnen blieb, während sie ihn über ihre Körper rollten – und dies bis zu drei Minuten.
Orca-Verhalten bekommt den Namen „Allo-Kelping“
Während andere Walarten wie Buckelwale ebenfalls für Interaktionen mit Seetang bekannt sind – etwa beim Reiben im Bereich des Kopfes – unterscheidet sich das Verhalten der Orcas deutlich. Einerseits werden die Pflanzen aktiv manipuliert, zum anderen werden sie gezielt zur Interaktion mit Artgenossen eingesetzt. Genau aus diesem Grund erhielt das Verhalten den Namen „Allo-Kelping“, abgeleitet vom biologischen Präfix „Allo“, das auf Interaktionen zwischen verschiedenen Individuen hinweist.

(A) Anfertigen von Seetang-Stielen für das Allo-Kelping. Der Orca hält einen Seetang-Stiel am Ende fest, und trennt ein kurzes Segment ab.(B) Die Orcas J19 und J51 beim Allo-Kelping, mit sichtbarem Seetang-Stiel zwischen ihnen (im Ausschnitt).
(C) J56 zeigt eine S-förmige Körperhaltung beim Allo-Kelping mit dem kopfüber schwimmenden J57.
(D) Netzwerk des Allo-Kelpings in der Gruppe. Kreise stehen für Individuen, die Dicke der Verbindungslinien zeigt die beobachtete Häufigkeit des Allo-Kelpings an.
Quelle: Studie: Manufacture and use of allogrooming tools by wild killer whales / Luftaufnahmen wurden im Rahmen der Forschungsgenehmigung NMFS 27038 gesammelt.
Die Forschenden dokumentierten das Verhalten während acht von zwölf Beobachtungstagen im vergangenen Jahr insgesamt 30 Mal – ein Hinweis darauf, dass es sich nicht um ein zufälliges oder einmaliges Ereignis handelt, sondern um einen wiederkehrenden Bestandteil des sozialen Lebens dieser Tiere. Datenanalysen zeigten zudem, dass „Allo-Kelping“ vor allem zwischen nahen Verwandten mütterlicherseits sowie gleichaltrigen Tieren auftrat. Dies deutet darauf hin, dass die Praxis eine soziale Funktion erfüllt – etwa zur Stärkung von Bindungen innerhalb der Gruppe.
Darüber hinaus vermuten die Wissenschaftler:innen auch einen gesundheitlichen Aspekt: Orcas stoßen regelmäßig ihre äußere Hautschicht ab, was mit einem schuppigen, gräulichen Erscheinungsbild einhergeht. Dr. Weiss zufolge konnte beobachtet werden, dass Tiere in dieser Phase verstärkt „Allo-Kelping“ betreiben – möglicherweise zur Linderung von Hautirritationen oder zum Abtragen abgestorbener Haut.
Auch Delfine nutzen Werkzeuge – aber anders
Ein anderes Beispiel für kulturelle Entwicklungen bei Meeressäugern konnten Wissenschaftler:innen bereits vor Jahren bei einer Population von Indopazifischen Großen Tümmlern in der westaustralischen Shark Bay beobachten. Einige Tiere dieser Gruppe nutzen ein Werkzeug bei der Nahrungssuche: einen Schwamm!
Diesen nehmen sie mit ihrer Schnauze vom Meeresboden auf und nutzen ihn als Schutz, um im sandigen Untergrund nach Fischen oder anderer Beute zu wühlen. Diese „Sponger“, wie sie in der Forschung genannt werden, sind dank des Schwamms einem geringeren Verletzungsrisiko durch scharfe Muschelschalen oder zerbrochene Korallen ausgesetzt
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