Adria-Delfin mit Seil an der Fluke: Protokoll einer besonderen Rettungsaktion

von | 7. Mai 2025 | News - Kroatien

Ein Delfin, ein Seil und viele Helfer

Seit dem vergangenen Jahr erreichen uns und unsere Projektpartner:innen immer wieder Meldungen über einen Großen Tümmler, der im Novigrader und Kariner Meer mit einem Seil an der Fluke gesichtet wird. Dieser Delfin wurde bereits seit geraumer Zeit beobachtet und ein leider erfolgloser Rettungsversuch unternommen. Im nachfolgenden ausführlichen Protokoll dokumentieren unsere Kooperationsparter:innen die komplexe Rettungsaktion des vergangenen Jahres, den logistischen Aufwand sowie die Herausforderungen der Fangversuche. Auch wenn das Seil noch nicht entfernt werden konnte, scheint der Delfin erstaunlich gut damit zurecht zu kommen.

Protokoll: Sichtung und Fangversuch eines Delfins mit Seil im Kariner Meer an der norddalmatischen Küste

Meldung und erste Untersuchung

• 29.05.2024: Der Notruf 112 erhält die Nachricht über einen Delfin in der Nähe des Strandes bei Pridraga im Kariner Meer. Laut Angabe des Meldenden zieht das Tier ein Seil an der Schwanzflosse hinter sich her und hält sich seit mehreren Tagen in etwa 20 Metern Entfernung zu einer Boje auf.

• Gleicher Tag: Anfahrt zum Einsatzort. Prof. Tomislav Gomerčić von der Tierärztlichen Fakultät der Universität Zagreb nähert sich dem Delfin mit einem Kajak auf ca. 15 Meter. Nach der Untersuchung des Tieres und des Seils wurde festgestellt, dass der Delfin nicht direkt an der Boje verheddert war. Allerdings an einem Seil, das um seine Fluke umwickelt ist

Eine von mehren Meldungen zu dem Delfin mit dem Seil an der Fluke, hier dokumentiert in den GRD-Sichtungsmeldungen.

Weitere Beobachtung und Recherche

• 30.05.2024: Erster Versuch mit einem gemieteten Schlauchboot, das Seil zu entfernen. Der Delfin ist jedoch nicht auffindbar. Gespräche mit mehreren Fischern ergeben: der Delfin hält sich bereits seit mehreren Monaten im Kariner Meer auf. Eine der Aussagen weist auf einen Vorfall im Sommer 2023 hin, bei dem ein Taucher ein Netz vom Delfin entfernt habe, ein Teil des Seils jedoch an der Schwanzflosse verblieb.

• Beobachtung: Am Abend Rückkehr zur Boje – der Delfin erscheint erneut. Über eineinhalb bis zwei Stunden wird erfolglos versucht, sich dem Tier zu nähern (max. Annäherung: 25 Meter).

Auf diesem Bild ist sichtbar, wie der Große Tümmler das Seil hinter sich her zieht.

Weitere Sichtungen und mediale Aufmerksamkeit

• Während des gesamten Sommers werden über die Notrufnummer 112 mehrfach Sichtungen des Delfins durchgegeben. Die Medien berichten intensiv über das Tier und seinen Zustand.

Der Delfin an einer Boje

Organisation eines strukturierten Fangversuchs

• August 2024: Der Taucher Igor Goić kontaktiert Prof. Tomislav Gomerčić und schlägt einen organisierten Fangversuch vor. Unterstützt wird er von dem Taucher Đani Iglić, dem Fischer Augustin Maroje und der Gemeinde Obrovac (finanzielle Hilfe)

• Kontaktaufnahme mit dem Ministerium für Umweltschutz und grünen Wandel (Zrinka Domazetović). Einigung auf eine Fangmethode. Parallel meldet sich auch die gemeinnützigen Organisation „Plavi svijet“ mit einer ähnlichen Initiative. Die beiden Vorhaben werden vom Ministerium koordiniert.

• Die Veterinärmedizinische Fakultät beschließt, bis zum Ende der Touristensaison zu warten, um Störungen durch den Bootsverkehr zu vermeiden.

Experten beobachten das Verhalten des Delfins.

Beobachtung und Vorbereitung des Fangversuchs

• September 2024: Tomislav Gomerčić beginnt mit der Organisation. Die Genehmigung bei der Fischereiverwaltung wird beantragt, Kontakt zu Natura Jadera (zuständig für Überwachung und Schutz der Biodiversität in marinen Schutzgebieten) aufgenommen und dein Schlauchboot angemietet.

• 20.09.2024: Die Wetterlage (nachlassende Bora-Fallwinde) ermöglicht einen Einsatz. Sichtung des Delfins in der Novigrader See, nahe der Mündung der Zrmanja und in der Nähe einer Muschelfarm.

• Beobachtung: Der Delfin spielt regelmäßig mit Bojen der Muschelfarm und ist schwer zu verfolgen. Planung des Fangversuchs für den Folgetag. Entsprechende Informationen gehen an die Behörden (Fischereiaufsicht, Monitoringzentrum, Küstenwache).

Zweiter Fangversuch

• 21.09.2024: Zwei Boote (eins von Natura Jadera sowie das angemietete Schlauchboot) stechen in See. Ziel: Sichtung und Begleitung des Delfins bis zur Ankunft eines Fischerbootes mit Fangnetz.

• Sichtung des Delfins am Eingang zum Kanal zum Kariner Meer. Beobachtungen finden mit 200 Metern Abstand statt, um das Tier nicht zu stören. Nachdem der Delfin den Kanal durchschwommen hat, trifft das Fischerboot ein.

• Der Delfin wird lokalisiert. Nach 10 bis 15 Minuten gelingt es den Fischern, den Großen Tümmler in ein Netz zu leiten. Allerdings durchbricht der Delfin das Netz und entkommt.

• Auf dem Rückweg durch die Passage zwischen Novigrader und Kariner Meer folgt erneut Sichtung des Delfins: Das Tier schwimmt zwischen den Booten der Rettungsteams.

Mit einem Netz wird versucht den Delfin zu fangen, um ihn vom Seil zu trennen. Doch der Rettungsversuch misslingt.

Fazit

Bei dieser Rettungsaktion in der Adria wurde auf vorhandene Ressourcen, wie Fischernetze und Schlauchboote zurückgegriffen. Es hat sich jedoch gezeigt, dass die Netze nicht stabil genug sind, um einen kräftigen, freischwimmenden Delfin standzuhalten. Aufgrund des flachen Wassers im Kariner Meer ist jedoch ungewiss, ob ein stärkeres Netz und ein dafür ausgerüstet Boot effektiv eingesetzt werden könnten.

Ein Fangversuch ist immer mit einem Risiko für die Gesundheit des Tieres verbunden. Der Delfin hält sich bereits seit über einem Jahr mit dem Seil an der Schwanzflosse in diesem Gebiet auf. Trotz dieser Einschränkung zeigt er einen guten Allgemeinzustand und wirkt kräftig. Beim jüngsten Fangversuch durchbrach er sogar ein Netz, das laut Aussagen der Fischer für Fische mit einem Gewicht von über 200 Kilogramm ausgelegt ist.

Wir gehen davon aus, dass der Versuch für den Delfin kein traumatisches Erlebnis darstellte. Bereits rund 30 Minuten nach dem gescheiterten Fangversuch wurde er wieder in unmittelbarer Nähe zum Fischerboot und den beteiligten Begleitbooten beobachtet – ein Hinweis darauf, dass sein Verhalten unverändert blieb.

Dank an alle Beteiligten

Unsere kroatischen Partner bedanken sich für die ausgezeichnete Zusammenarbeit mit Zrinka Domazetović vom Ministerium für Umweltschutz sowie für die zügige und unbürokratische Genehmigung durch die Fischereiverwaltung. Besonderer Dank gilt der Besatzung des Fischerboots von Augustin Maroje für ihren Einsatz, ihre Entschlossenheit und ihr außergewöhnliches Geschick, den Tauchern Igor Goić und Đani Iglić für die Initiative zur Durchführung der Aktion sowie dem engagierten Team von „Natura Jadera“ für ihre tatkräftige und professionelle Unterstützung.

Quelle: Prof. dr. sc. Tomislav Gomerčić 
Fotos: Igor Goić und Tomislav Gomerčić

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