Bedrohung durch den Tiefseebergbau wird immer größer
Jamaika-Konferenz: Entscheidende Tage für den Tiefseebergbau
Über den Tiefseebergbau in internationalen Gewässern wird derzeit auf Jamaika verhandelt. Es steht viel auf dem Spiel: Wenn künftig Anträge über den Rohstoff-Abbau unter Wasser genehmigt werden, könnten unsere Ozeane irreversibel zerstört werden – und das zu einer Zeit, in der wir uns vordringlich um ihren Schutz bemühen sollten.
Die Schlagzeilen, die dieser Tage in den Medien zu finden sind, lassen nichts Gutes ahnen: So titelt FOCUS online: „Tiefseebergbau könnte bald die weltweite Knappheit an Batteriemetallen lindern“. Und das Handelsblatt fragt: „Können wir mit Rohstoffen aus dem Meer das Klima retten?“ Fakten geschaffen hat bereits Norwegen: Auf einer Fläche in der Barents- und Grönlandsee, die halb so groß ist wie Frankreich, will die norwegische Regierung den Meeresboden zum Abbau von Rohstoffen freigeben.
Dabei ignoriert das skandinavische Land die Warnungen von mehr als 750 Wissenschaftler:innen sowie dem wissenschaftlichen Beirat der Europäischen Akademien (EASAC) vor den unvermeidlichen und unumkehrbaren Auswirkungen des Tiefseebergbaus. So ist hinlänglich bekannt, dass die Tiefsee ein riesiges Reservoir an biologischer Vielfalt mit Tausenden von Arten ist, die noch nicht einmal vollends entdeckt wurden. Außerdem spielt sie eine wichtige Rolle in lebenswichtigen Systemen der Erde, wie dem Kohlenstoffkreislauf und der Kohlenstoffspeicherung, die noch keineswegs ausreichend erforscht ist. (Link-Tipp: Tiefseebergbau: Verhängnisvoller Wettlauf zum Meeresgrund)
Tiefseebergbau: GRD unterstützt neue Kampagne der Deep Sea Conservation Coalition
Mit einer aktuellen Kampagne ruft die Deep-Sea Conservation Coalition (DSCC) Öffentlichkeit und Politik dazu auf, sich gegen den Tiefseebergbau zu positionieren, um den Schutz der Ozeane zu gewährleisten.
Fahrt hat das Thema aufgenommen, da in den vergangenen Tagen eine Frist zur Regulierung des Tiefseebergbaus verstrichen ist. Stand jetzt können Anträge auf kommerziellen Abbau der Rohstoffe auf dem internationalen Meeresboden eingereicht werden. Wie damit in Zukunft verfahren werden soll, wird bis zum 28. Juli auf Jamaika zwischen den Regierungen dieser Welt und der Internationalen Meeresbodenbehörde (ISA) verhandelt.
Die GRD zählt zu den Mitgliedern der Deep Sea Conservation Coalition (DSCC), die den Auftakt der Verhandlungen genutzt hat, um eine neue Kampagne für ein Moratorium des Tiefseebergbaus zu fordern. Die Regierungschefs aller Staaten werden hierbei aufgerufen, sich den Forderungen nach einem Moratorium, einer vorsorglichen Pause oder einem Verbot anzuschließen. Chile, Costa Rica, Deutschland, die Dominikanische Republik, Ecuador, Fidschi, Frankreich, Mikronesien, Neuseeland, Palau, Panama, Samoa, die Schweiz, Spanien und Vanuatu sind diesem Aufruf bereits gefolgt.
Darüber hinaus haben globale Unternehmen wie die BMW Group, Google, Volkswagen und internationale Finanzinstitutionen ein Moratorium gefordert, beziehungsweise zugesagt, Tiefseemineralien aus ihren Lieferketten fernzuhalten.
Nauru: Profitgier auf Kosten der Ozeane
Gänzlich andere Pläne verfolgt der Inselstaat Nauru. Dieser Pazifikstaat, der zu den ärmsten Ländern der Erde gehört, hat als eines der ersten Länder einen Antrag auf Abbau von Manganknollen durch das kanadische Unternehmen The Metals Company gestellt. Nauru erhofft sich dadurch eine neue Einnahmequelle, schließlich werden die in den Knollen enthaltenen Metalle wie Kupfer, Nickel und Kobalt – befeuert durch die Energiewende – gerade bei der Herstellung von Batterien in immer größerem Ausmaß benötigt.
Würde dem Antrag stattgegeben werden, plant das Unterwasserbergbau-Unternehmen zahlreiche Roboter in eine Tiefe von mehr als 1500 Metern zu schicken, um die Knollen mittels Hightech-Rohr aufzusaugen. Das Gebiet hat eine Größe von 2,5 Millionen Hektar. Jegliche Organismen auf dem Meeresboden könnten – sollte Nauru den Zuschlag erhalten – von den Robotern zerstört werden. Gleiches gilt für die Lebewesen, die von den Knollen leben.
Vereinfachte Darstellung des Tiefseebergbaus: Mit Maschinen wird der Meeresboden durchpflügt und die Rohstoffe abgesaugt. Mitunter können die Planierraupen die Größe eine Einfamilienhauses erreichen. (Foto: Wikimedia)
UPDATE vom 25. Juli: Die (Nicht-)Ergebnisse der Konferenz zum Tiefseebergbau
Wie in Zukunft mit Fragen rund um den Tiefseebergbau verfahren werden muss, das sollte auf der jüngsten Sitzung zwischen den Regierungen dieser Welt und der Internationalen Meeresbodenbehörde (ISA) verhandelt werden. Die Konferenz auf Jamaika endete ohne Einigung oder Annahme eines Kodex für den Tiefseebergbau. Nachfolgend haben wir die aktuellen Entwicklungen festgehalten:
- Die Staatengemeinschaft und die ISA konnten sich bei der jüngsten Konferenz in Jamaika nicht auf einheitliche Richtlinien zum Abbau von Rohstoffen am Meeresboden einigen. In den kommenden Jahren sollen weitere Besprechungen folgen, sodass man – hoffentlich – 2025 in der Lage ist, verbindliche Regelungen zu verabschieden.
- Eine wachsende Zahl von Ländern – darunter Deutschland, Frankreich und Kanada – wehrt sich gegen das Vorhaben, den Tiefseebergbau rasch zuzulassen. Sie stehen Befürwortern wie China, Norwegen und Russland gegenüber.
- Ab sofort muss die ISA Anträge auf Abbaulizenzen bearbeiten. Das Problem: Die ISA könnte gezwungen sein, Anträge zum Tiefseebergbau zu prüfen, ohne dass dafür ein Regelwerk zur Verfügung steht. Konzerne wie The Metals Company (TMC) stehen bereits in den Startlöchern und wollen mit der Gewinnung von Manganknollen im Pazifik beginnen.
- Für Gegner des Tiefseebergbaus steht fest: Solange es nicht möglich ist, sich auf einheitliche Regelungen zu verständigen, braucht es ein Moratorium.
Fazit: Die Debatte über den Tiefseebergbau wird zunehmend hitziger und es steht nach wie vor viel auf dem Spiel. Wenn dieses gefährliche Experiment – nicht anders kann der Abbau von Rohstoffen in kaum erforschten Tiefen bezeichnet werden – schief geht, besteht nach Aussage der Deep-Sea Conservation Coalition (DSCC) die Gefahr, “dass es zu einem Dominoeffekt mit schwerwiegenden Folgen kommt: Ozeane könnten destabilisiert werden, was zu Ernährungsunsicherheit führen und das gesamte Leben auf der Erde beeinträchtigen könnte.”
Petition gegen den Tiefseebergbau
Sagt NEIN zum Tiefseebergbau und unterschreibt eine Petition unserer Partner von DSCC auf dem Portal OnlyOne“.
Foto oben: NOAA
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