SAFE – Faktensammlung
Internationales Kontrollprogramm für delfinsicheren Thunfisch
SAFE - Faktensammlung
Internationales Kontrollprogramm für delfinsicheren Thunfisch
Als SAFE 1990, unter dem Namen “International Monitoring Program”, vom Earth Island Institute (EII) zur Überwachung des internationalen Thunfischmarktes ins Leben gerufen wurde, haben wohl nur die wenigsten geahnt, zu welcher Größe das Projekt heranwachsen würde und welche Erfolge es für den Erhalt der Biodiversität in den Weltmeeren erzielen würde.
Dennoch gibt es immer wieder Fehlinformierte, die SAFE falsch bewerten, entweder weil sie die Tragweite von SAFE nicht erkennen können oder wollen und/oder völlig ungeeignete Maßstäbe zur Bewertung heranziehen (so ist SAFE kein Fischschutz- sondern ein Delfinschutz-Programm!).
Ein leider immer noch weit verbreiteter Irrtum ist, dass die Dosen-Thunfischindustrie für den Niedergang bestimmter Thunfischarten, wie z.B. für die (fast)Ausrottung des Blauflossenthunfisches (Roter Thunfisch) verantwortlich zeichnet. Die am stärksten überfischten Thunfischarten (Blauflossen-, Gelbflossenthunfisch und Großaugenthune) werden – mit Ausnahme der Gelbflossenthune – fast ausschließlich, bzw. ausschließlich für den Frischfischmarkt (z.B. Sushi, Sashimi) gefischt. Japan ist der mit Abstand wichtigste Abnehmer mit rund 78 Prozent des weltweit verkauften frischen Thunfischs.
Dank SAFE gehört die Dosen-Thunfischindustrie heute zu den weltweit am besten überwachten Fischereien überhaupt
Auch die gut gemeinten aber letztendlich kontraproduktiven Rufe nach einem Boykott von Dosenthunfisch wollen nicht ganz verstummen. Boykotte hätten wenig bis keinen Einfluss auf die Art der Thun-Fischerei und würden keinen Beitrag zu verbesserter Nachhaltigkeit leisten. Falls beispielsweise deutsche Importeure keinen Dosenthunfisch mehr einführen würden, würde diese Ware schlichtweg in andere Länder nach Asien oder Lateinamerika verkauft.
Im ETP sind Thunfischschwärme oft mit Delfinschulen vergesellschaftet (die Delfine schwimmen an der Wasseroberfläche, der Thunfischschwarm bis zu 150m darunter). Ein bis heute rätselhaftes und nur in dieser Meeresregion zu beobachtendes biologisches Phänomen, das die Fischer ausnutzen, in dem sie gezielt Delfinschulen jagen und einkreisen. Auch heutzutage kommt diese rücksichtslose Fischereimethode noch zum Einsatz!
Beginnend in den später 1950er Jahren bis Anfang der 1990er Jahre hatte die Thunfischindustrie allein im tropischen Ostpazifik (ETP) durch das Umkreisen von Delfinschulen beim Thunfischfang mit so genannten Ringwadennetzen nach Berechnungen des EII mehr als 7 Millionen Delfine getötet. Es war die größte Massenvernichtung von Meeressäugern in der Geschichte der Menschheit!
Ohne SAFE wären die Ozeane heute sehr viel leerer, es gäbe weitaus weniger Delfine und auch weniger Thunfische mit den entsprechenden nachgelagerten Folgen für das gesamte Ökosystem der Meere. Generell empfehlen wir allerdings, weniger Fisch zu essen. Die Ozeane sind akut überfischt, viele Zielfischarten, darunter auch einige Thunarten, sind vom Aussterben bedroht.
Fangmethoden und Beifangraten
Nach Angaben der Welternährungsorganisation FAO (United Nations Food and Agricultural Organization) werden weltweit etwa 4,6 Millionen Tonnen Thunfisch gefangen.
Bei mehr als 70 % dieser Fänge werden Ringwadennetze eingesetzt (eine neuere Untersuchung der Umweltorganisation IUCN spricht von 58 Prozent).
Im tropischen Ostpazifik (ETP), wo insbesondere Gelbflossenthune mit Delfinen vergesellschaftet sind und der Thunfisch teilweise noch durch das Umkreisen von Delfinschulen gefangen wird, (aber nicht von an SAFE beiteiligten Fischereien) betrug die Fangmenge 2006, nach Angaben der Inter-American Tropical Tuna Commission (IATTC), 100.000 Tonnen. Der Anteil dieser delfintödlichen Fangmethode am weltweiten Gesamtfang beträgt somit nur noch 2,17 %.
Der Fang mit Angeln und Schleppangeln hat einen Anteil von 15 %, die restlichen 15 % stammen aus Langleinenfischereien (hoher Beifang von Seevögeln, Meeresschildkröten und Haien). Allerdings wird nur ein sehr geringer Teil der mit dieser Methode gefangenen Thune als Dosenthunfisch verwendet.
Nach Angaben der FAO von 2005 sind 8 % der weltweiten Thunfischbestände überfischt (die am meisten bedrohten Blauflossenthunfischarten haben nur einen geringen Anteil an der weltweiten Gesamtfangmenge).
Die Beifangrate von Ringwadennetzen liegt bei etwa 5 % des Gesamtfangs, was unter der weltweiten Durchschnittsbeifangrate aller Fischereimethoden von 8 % liegt.
Auf dem 10. Treffen der Indian Ocean Tuna Commission (IOTC), das im Oktober 2008 in Thailand stattfand, wurde ein Report der Working Party on Ecosystems and Bycatch vorgestellt, in dem speziell auf die Situation des Beifangs und der Rückwürfe durch EU-Ringwadennetzfischer im Indischen Ozean eingegangen wird. Die Statistiken beziehen sich auf die Jahre 2003 bis 2007, stammen aus dem Beobachterprogramm Frankreichs und Spaniens und repräsentieren insgesamt 1.958 Fischzüge mit Ringwadennetzen.
Im Ergebnis traten dabei jährlich etwa 9.585 Tonnen Beifänge und Rückwürfe im Zusammenhang mit Ringwaden-Thunfischereien auf. Angesichts einer jährlichen Fangmenge von 293.401 Tonnen Thun im Indischen Ozen, liegt beträgt die Beifangrate der EU-Ringwadennetzfischerei in diesem Fanggebiet bei jährlich etwa 3,3 Prozent der Gesamtfangmenge.
Beifänge und Rückwürfe verteilten sich dabei folgendermaßen:
- Kommerziell nicht verwertbare bzw. zu kleine (40 – 45 cm Länge) Thune aller Arten (z.B. Großaugenthun, Gelbflossenthun und Skipjack): 54 %
- sonstige Fische: 35,2 %
- Haie: 10,1 %
- Rochen: 0,7 %
Der Report kommt zu dem Fazit, dass die Ringwadennetzfischerei mit FADs (fish aggregating device) die Hauptursache für Beifang bei dieser Fischfangmethode, insbesondere von Haien und sonstigen Fischarten, darstellt.
Die Beifangrate von Angeln und Schleppangeln liegt bei durchschnittlich nur 0,7 % der Gesamtfa0ngmenge.
Die Beifangrate in der Langleinenfischererei liegt bei durchschnittlich 20 % der Gesamtfangmenge. Viele Meeresschutzorganisationen setzen sich für beifangreduzierende Veränderungen am Fischereigerät oder ein Verbot ein. Da jedoch nur sehr wenig Langleinen-Thunfisch zu Dosenthunfisch verarbeitet wird, würde ein Dosenthunfischboykott in Deutschland oder Europa die Langleinenfischerei überhaupt nicht treffen und keinerlei Effekt zeitigen.
Fischereimanagement
Das Management der weltweiten Thunfischbestände liegt in den Händen von internationalen, regionalen Fischereikommissionen. So regelt die Internationale Kommision für den Schutz des Thunfischs im Atlantik (ICCAT) die Bestände im Atlantik und im Mittelmeer, während z.B. die Inter-American Tropical Tuna Commission (IATTC) für die Bestände im Ostpazifik, die Western and Central Pacific Fisheries Commission (WCPFC) für die im westlichen und mittleren Pazifik und die Indian Ocean Tuna Commission (IOTC) für die im Indischen Ozean zuständig ist.
Foto: Alex Hofford, Greenpeace/Marine Photobank.
Bedauerlicherweise legen diese Fischereikommissionen noch viel zu wenig Gewicht auf eine nachhaltige Befischung der Bestände, setzen zu hohe Quoten und räumen der Beifangproblematik zu wenig Raum ein. Dessen ungeachtet sind sie die einzigen Institutionen, die eine nachhaltige Fischerei beim Thunfischfang umsetzen könnten. In Amerika war der Verzehr von Rohfisch vor 40 Jahren noch undenkbar. Heute gibt es Sushi und Sashimi fast in jedem Feinkostladen, aber sogar auch im Supermarkt – und selbstverständlich in edlen Restaurants. Der Fang von Thunfisch für den Frischfischmarkt ist das Kernproblem im Zusammenhang mit der Überfischung der Arten und hohen Beifangraten.
Mittlerweile haben einige Fischereikommissionen auch bereits wichtige Reformen eingeleitet, die eine Reduzierung der Überfischung und des Beifangs zum Ziel haben (z.B. die Beschränkung des Einsatzes von FADs (fish aggregating devices) im Atlantik).
Von einem nachhaltigen Fischereimanagement beim Thunfischfang ist man derzeit aber noch weit entfernt, wie sich z.B. an der Situation beim Roten Thun deutlich zeigt. Die Festlegung von jährlichen Fangquoten, Voraussetzung für ein effektives Fischereimanagement, erweist sich zudem immer mehr als Makulatur. So gelingt es einigen Fischereien gar nicht mehr ihre Quote zu erfüllen, insbesondere beim Roten Thun. In 2005 konnten US-Fischer im Westatlantik lediglich 27 Prozent und in 2006 nur noch 10 Prozent der ihnen zustehenden Quote für Roten Thun fangen.
Ein weiteres schwerwiegendes Problem im Zusammenhang mit effektivem Fischereimanagement ist die immer unzuverlässiger werdende Datenlage. Die Wissenschaftler der Fischereikommissionen stützen sich für ihre Berechnungen auf die gemeldeten Fangmengen der Fischer. Und deren Ehrlichkeit nimmt rapide ab. So wird weitaus mehr Thunfisch nach Japan importiert als auf Grund der erlaubten Fangmengen eigentlich möglich ist. Immerhin will Japan jetzt die Einfuhr von undokumentierten Fängen der Blauflossenthunarten verhindern, um die stetig wachsende illegale Fischerei (Piratenfischerei) auf diese Arten einzudämmen.
Zusammenfassung
Es ist schwierig und oftmals irreführend, einfache Schlüsse aus einer international operierenden Fischerei wie der Thunfischerei, die viele Fischarten, unterschiedliche Bestandssituationen einer Art in ihren jeweiligen Lebensräumen und stark variierende Fangmethoden einschließt, zu ziehen.
Die Familie der Thunfische weist eine hohe Reproduktionsrate auf und einige Arten, wie Skipjack, zeigen sich trotz eines teilweise hohen Befischungsgrads relativ robust. Andere wiederum, wie die Blauflossenthunfischarten oder die pazifischen Großaugenthune drohen in nicht allzu ferner Zukunft auszusterben.
Die zum Fang von Dosenthunfisch eingesetzten Methoden (mit Ausnahme des Einsatzes von FADs in der Ringwadennetzfischerei) gehören nach den neuesten vorliegenden Statistiken zu den selektiveren Fischereien, verglichen z.B. mit Shrimp-, Kabeljau- oder Grundschleppnetzfischereien, und haben keinerlei negative Auswirkungen auf den Meeresboden und die darauf oder in unmittelbarer Nähe lebenden Organismen. Es wird gezielt nach Thunfischen und nicht nach dem Zufallsprinzip (Treibnetze, Schleppnetze, Grundschleppnetze, Schwebenetze etc.) das Meer leer gefischt. Ausnahmen sind allerdings die im Zusammenhang mit Dosenthunfisch so gut wie keine Rolle spielende Langleinenfischerei.
Die regionalen Fischereikommissionen verfügen zwar über gute, langjährig geführte Statistiken zur Bestandsentwicklung und könnten daher den Fischereien verlässliche Managementempfehlungen geben. Fangbeschränkungen und deren Überwachung sind aber unbefriedigend und müssen dringend verbessert werden.
Durch das SAFE-Programm hat die internationale Thunfischindustrie als erste Fischerei überhaupt Maßnahmen eingeleitet, die eine Reduzierung negativer Umweltauswirkungen und eine verbesserte Nachhaltigkeit zur Folge haben. Diese Entwicklung soll durch verstärkte Zusammenarbeit mit Umweltorganisationen wie dem EII weiter ausgebaut und verbessert werden.
- Durch SAFE wurde “delfintödlicher” Dosenthunfisch sehr wirkungsvoll vom Markt gefegt. SAFE kontrolliert heute etwa 90 Prozent des weltweiten Handels, in Europa, Kanada, Australien und in den USA, wo weltweit der meiste Dosenthunfisch verbraucht wird!
- Durch den Erfolg von SAFE gerieten auch die Fischereien unter Druck, die im ETP immer noch Thunfisch durch das Umkreisen von Delfinschulen fangen. So sank die Rate von im ETP jährlich getöteten Delfinen deutlich. Noch in den späten 1980er Jahren starben im ETP jährlich zwischen 80.000 und 100.000 Delfine beim Thunfischfang. Heute liegt die offizielle Quote zwischen 1.000 und 2.000 getöteten Delfinen. Ein für SAFE allerdings völlig inakzeptabler Blutzoll!
- Fischereien aus verschiedenen Ländern, darunter Mexiko, Venezuela, Kolumbien und El Salvador arbeiten im ETP mit dem “delfintödlichen” Umkreisen von Delfinschulen und einer geduldeten Quote von mehreren Hundert toten Delfinen jährlich. Sie versuchen, den so gefangenen Thunfisch als angeblich “delfinsicher gefangen” zu vermarkten (es handelt sich um das Label der Inter-American Tropical Tuna Commission, IATTC). Es gehört zu den wichtigsten Aufgaben von SAFE, diese “delfintödliche” Ware vom Markt zu drängen!
- Ohne SAFE wären die im ETP heimischen Schlank- und Spinnerdelfinpopulationen schon längst ausgerottet!
- Dem SAFE-Programm angeschlossene Fischereien dürfen keine Fangmethoden einsetzen, bei denen Delfine getötet oder ernsthaft gefährdet werden (Treibnetze, Umkreisen von Delfinschulen) – auch nicht unabsichtlich. Nachgelagerte Verarbeitungs- und Vermarktungsbetriebe dürfen derartige Ware weder verarbeiten noch damit handeln.
- Bei Fangfahrten im ETP (tropischer Ostpazifik) müssen Fangschiffe mit mehr als 400 Bruttoregistertonnen einen unabhängigen Beobachter an Bord haben, der die Einhaltung der SAFE-Kriterien attestiert.
- SAFE ist weltweit die einzige wirksame Waffe gegen den Verkauf von Thunfisch, der in Treibnetzen oder durch Umkreisen von Delfinschulen gefangen wurde. Mit der Anerkennung dieses Programms durch die deutsche Thunfischindustrie wurde ein ganz entscheidender Erfolg erzielt!
- Dank SAFE gehört die Thunfischindustrie heute zu den weltweit am besten überwachten Fischerei-Industrien.
- Das SAFE-Programm beinhaltet Maßnahmen zur Beifangreduzierung für Meeresschildkröten, Haie und anderen nicht gezielt befischten Arten, um die durch Fischerei entstehenden Schäden im Ökosystem zu minimieren. Dem SAFE-Programm angeschlossene Fischereien werden dazu angehalten, auf den Fang von Jung-Thunfischen zu verzichten und diese, wie auch alle anderen Beifangarten, wieder freizulassen!
- Das EII beschäftigt im Rahmen von SAFE eine internationale Crew von Kontrolleuren. Sie sind weltweit im Einsatz und inspizieren die dem Programm angeschlossenen Fischereien, Verarbeitungsbetriebe, Häfen, Lagerräume und die zum Transport der Ware eingesetzten Handelsschiffe. Die EII-Kontrolleure verhandeln mit noch nicht dem Programm angeschlossenen Fischereien und sogar einzelnen Fischkutter-Kapitänen sowie Verarbeitungsbetrieben, damit diese sich SAFE anschließen.
- Die Kriterien von SAFE werden von zahlreichen Tier- und Naturschutzorganisationen unterstützt, darunter Greenpeace (USA), Humane Society of the US (HSUS), Humane Society International (HSI), Defenders of Wildlife, Animal Welfare Institute (AWI), Friends of the Earth, Sierra Club, Marine Connection (UK) oder International Wildlife Coalition (IWC).
- SAFE ist seit April 2005 nach ISO 9001 und seit 2007 auch nach ISO 14001 zertifiziert.
- SAFE ist das umfassendste und wirkungsvollste Delfinschutzprogramm der Welt!