Südafrika: Schallbombardement auf Delfine und Wale
Mit Petitionen und Boykottaufrufen wollen Tierschützer den Lärm-Terror beenden
Im Zehn-Sekunden-Takt beschießt der Ölkonzern Shell im Rahmen seiner Suche nach Erdöl und -gas zum Teil unberührte Meeresgebiete mit Schallkanonen. Letztere entwickeln eine Lautstärke vom Kaliber eines Raketenstarts, worunter viele Delfine, Wale und andere Meeresbewohner leiden. Protest in Form von Boykotts und Petitionen hat sich in Südafrika bereits formiert.
Auf der Suche nach immer neuen Öl- und Gasvorkommen sind den Ölmultis dieser Welt viele Mittel recht. Exemplarisch hierfür steht aktuell die Durchführung einer dreidimensionalen seismischen Offshore-Untersuchung vor der Wild Coast, einem bisher weitgehend unberührtem Küstenabschnitt Südafrikas. In den kommenden vier bis fünf Monaten sollen hier methodisch über 6000 Quadratkilometer Meeresoberfläche untersucht werden. In der Praxis funktioniert dies wie folgt:
Ein seismisches Schiff feuert alle zehn Sekunden Schallkanonen ab, die zunächst durch das Wasser und anschließend bis zu 40 Kilometer in die Erdkruste eindringen. Aufgrund des Echos kann die Bodenstruktur analysiert und kartiert werden. Das alles geschieht bei Tag und Nacht, sieben Tage in der Woche bei einem Lärmpegel von stattlichen 230 bis 250 Dezibel. Das entspricht dem Start eines Raumschiffs.
Meeressäuger leiden unter dem Schallbombardement
Die Auswirkungen auf die Lebewesen im Meer – vom Krebs bis zum Glattwal – sind äußerst negativ, denn Meerestiere und vor allem Meeressäuger sind sehr empfindlich gegenüber akustischen Signalen. Wale und Delfine beispielsweise sind auf eine störungs- und geräuschfreie Umgebung angewiesen, um mit Gruppenmitgliedern und Jungtieren zu kommunizieren, Nahrung zu finden, sich fortzupflanzen, Raubtiere und Gefahren zu meiden, zu navigieren und ihre Umwelt wahrzunehmen. Bisherige Untersuchungen zu seismischen Einflüssen haben ergeben, dass Verhaltensänderungen, Stress, Embolien und Schäden am Körpergewebe auftreten können.
Negative Effekte können auch dahingehend eintreten, dass Delfine und Wale große Entfernungen zurücklegen müssen, um den störenden Geräuschen zu entkommen, wodurch sowohl die Nahrungssuche als auch das Säugen der Kälber beeinträchtigt wird.
Der durch die Schallkanonen erzeugte Lärm wirkt sich negativ auf zahlreiche Lebewesen in den betroffenen Gebieten aus.
Shell beteuert, internationale Richtlinien einzuhalten
Zwar sollen die seismischen Untersuchungen außerhalb der Wanderungszeit von größeren Arten wie Buckelwalen und Südlichen Glattwalen stattfinden. Nichtsdestotrotz werden viele andere Arten wie Schnabelwale, Brydewale und Pottwale betroffen sein.
Shell führt nach eigenem Bekunden strengste Kontrollen durch und befolgt die internationalen Best Practice-Richtlinien des britischen Joint Nature Conservation Committee für die Durchführung seismischer Operationen. Dazu gehört beispielsweise eine Sperrzone von 500 Metern um die Schallquelle, die garantieren soll, dass kein Tier den Schallkanonen zu nahekommt. Die Überwachung erfolgt durch unabhängige Beobachter an Bord des seismischen Schiffes. (Lesetipp: Zu viel Lärm im Mittelmeer gefährdet Wale und Delfine)
Petition mit mehr als 400.000 Unterschriften
Gegen die Aktivitäten des Ölmultis regt sich in Südafrika bereits großer Widerstand. So gab es bereits mehrere Demonstrationen und Boykott-Aufrufe, die sich gegen örtliche Tankstellen des Konzerns richteten. Darüber hinaus wurde von der Organisation „Oceans Not Oil” eine Petition ins Leben gerufen, die bis Dienstag mehr als 400.000 Mal unterschrieben wurde. Darin wird die südafrikanische Ministerin für Forstwirtschaft, Fischerei und Umwelt aufgefordert, die Genehmigungen für das Projekt zurückzuziehen.
Auch vor der Küste von Argentinien ist Shell aktiv auf der Suche nach Erdöl und -gas mit einem ganz ähnlichen Verfahren wie vor der Küste Südafrikas. Nach Informationen von Greenpeace wurde das betroffene Gebiet als mögliches Meeresschutzgebiet identifiziert. Es ist eine wertvolle Nahrungsquelle und liegt auf einer wichtigen Route vieler Wal- und Delfinarten.
Protest gegen Shell in Südafrika.
Kleiner Lichtblick
Auch unsere Projektpartner von Humpack Dolphin Research aus Johannesburg und Richards Bay (KwaZulu-Natal) hatten in jüngster Vergangenheit verstärkt mit dem Thema der akustischen Meeresverschmutzung zu kämpfen. Konkret ging es darum, ein Gasverstromungsprojekt im Hafen von Richards Bay zu verhindern. Humpack Dolphin Research ist der Auffassung, dass vor dem Start eines solchen Vorhabens eine angemessene Studie über den entstehenden Lärm und den damit zusammenhängenden Auswirkungen auf Delfine und ihre Beutetiere erstellt werden muss. Diese Ansicht teilen die Behörden vor Ort jetzt dank der Intervention von Humpack Dolphin Research. Zwar ist es möglich, dass sich die Entwicklung nur verzögert, aber es ist zumindest eine vorübergehende gute Nachricht für die Buckeldelfine.
Das Team der GRD dankt dem Team von Shanan Atkins und ihr Team für ihren Einsatz!
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