Was wir über Delfin-Hybride wissen
Nicht nur Kreuzungen verschiedener Delfinarten sind bis dato nachgewiesen, sondern auch deren Fortpflanzung
Hybride aus der Tierwelt wie Maulesel oder Liger sind bekannt – wie aber steht es um Kreuzungen verschiedener Arten unter den Delfinen? Und was hat es mit dem Wolphin (Whale & Dolphin) auf sich? Wir klären in diesem Artikel die wichtigsten Fragen.
Was ist ein Hybrid?
Die DNA-Moleküle in jeder Zelle eines Tieres enthalten verschiedene Anweisungen und bestimmen, wie ein Tier aussieht, wie es sich verhält und welche Laute es von sich gibt. Wenn sich Tiere paaren, erhalten ihre Jungen eine Mischung aus der DNA der Eltern. In jenen Fällen, in denen die Eltern von der gleichen Art sind, ist ihre DNA sehr ähnlich. Die DNA von verschiedenen Arten oder Artengruppen weist hingegen mehr Variationen auf. Die Nachkommen von Hybriden haben eine größere Vielfalt in der DNA, die sie erben.
Was passiert, wenn sich die DNA von zwei Arten in einem Hybriden vermischt?
Eine genaue Antwort auf diese Frage gibt es nicht, da es eine Vielzahl möglicher Ergebnisse gibt. In einigen Fällen ist der Hybrid schwächer als die Elterntiere oder überlebt gar nicht. In anderen Fällen ist er stärker. Manchmal verhält er sich mehr wie eine der Elternarten als die andere. Eine Gemeinsamkeit lässt sich aber dennoch ableiten: Viele Hybridtiere sind steril – sie paaren sich zwar, können aber keine Nachkommen zeugen.
Wie kommt es zur Kreuzung?
Für eine Hybridisierung gibt es vielfältige Gründe:
- Die Reviere zweier ähnlicher Tierarten können sich überschneiden.
- Durch Klimaveränderung verlagert sich der Lebensraum einer Art in ein neues Gebiet. Hier können Tiere auf eine ähnliche Art treffen und sich zufällig paaren.
- Wenn Tiere nicht genügend Partner ihrer eigenen Art finden, wählen sie möglicherweise einen Partner einer anderen Art.
- Menschen können unabsichtlich die Hybridisierung forcieren, wenn sie in einem Zoo zwei eng verwandte Arten in einem Gehege halten oder Tiere aus anderen Ländern in einem neuen Lebensraum aussetzen.
Welche Hybride kennen wir aus dem Tierreich?
Eine sehr bekannte Kreuzung ist der Maulesel oder das Maultier. Dabei handelt es sich um eine Kreuzung aus Pferd und Esel. Ein Liger wird aus einem männlichen Löwen und einem weiblichen Tigers gezeugt – im umgekehrten Fall ist das Ergebnis ein Tigon. Weiterhin gibt es u.a. Zorse (Zebra und Pferd), Grolarbär (Eisbär und Grizzly) oder die Schiege (Schaf und Ziege).
Liger= Lion & Tiger (Bild links) und Zorse = Zebra & Horse
(Quelle: Wikicommons / Liger Jungle Island / Zorse Eclyse, Safariland Stukenbrock)
Welche Hybride sind bei Delfinen bekannt?
Fokussiert man sich auf die reine Namensgebung, ist sicherlich der Wolphin am geläufigsten. Dies steht für die sehr seltene Kreuzung eines Großen Tümmlers mit einem Kleinen Schwertwal. Der Name Wolphin setzt sich aus Whale und Dolphin zusammen – und ist damit äußerst irreführend. Der Kleine Schwertwal gehört ebenso wie der Große Tümmler zur Gruppe der Delfine.
Dokumentierte Geburten von Wolphins liegen ausschließlich aus in Gefangenschaft lebenden Meeressäugern vor. Das erste Tier wurde 1981 in Sea World Tokio geboren und verstarb nach 200 Tagen. Der erste Wolphin, der überlebte, heißt „Kekaimalu“. Das Weibchen wurde 1985 im Sea Life Park auf Hawaii geboren. Es brachte 2004 „Kawili Kai“ zur Welt, gezeugt mit einem männlichen Delfin. Nur wenige Monate nach der Geburt hatte das Kalb bereits die Größe eines einjährigen Großen Tümmlers.
Ein sogenannter Wolphin, Hybrid aus Kleinem Schwertwal und Großem Tümmler
(Foto: featuredcreature)
Wo sind Delfin-Hybride im offenen Meer gesichtet worden?
Delfin-Hybride in freier Wildbahn sind bis dato sehr selten dokumentiert und es bedarf fast schon des Zufalls, um sie zu entdecken. So geschehen 2018 vor der Küste von Hawaii, als Forscher eigentlich die Auswirkungen von U-Booten auf Meeressäuger untersuchen wollten und dabei erstmals nachweisen konnten, dass Breitschnabeldelfine mit Rauzahndelfinen erfolgreich Nachwuchs bekommen können. Vorausgegangen war die Sichtung eines jungen Breitschnabeldelfins, der untypischerweise kein rundes, sondern ein abfallendes, eigentlich mehr für Rauzahndelfine typisches Kopfprofil aufgewies. Die Finne wiederum stammte eindeutig vom Breitschnabeldelfin ab. Eine Gewebeprobe des Jungtiers für eine genetische Analyse brachte anschließend Gewissheit, dass es sich um einen Hybriden handelte.
Im gleichen Jahr wurde an der Küste der Äußeren Hebriden in Schottland eine Delfinschule mit einem Jungtier fotografiert, der die Merkmale eines Großen Tümmlers und eines Rundkopfdelfins (Risso-Delphin) vereinte. Es ist bekannt, dass beide Arten in diesem Gebiet vorkommen. Aufgrund der Bilder konnte nachgewiesen werden, dass Große Tümmler und Rundkopfdelfine vor den Äußeren Hebriden miteinander interagieren und sogar gemeinsamen Nachwuchs hervorbringen. Einer Meldung des „Independent“ vom 15. Dezember 2021 zufolge konnten Forscher mittlerweile zudem verifizieren, dass sich die Hybride auch selbst fortpflanzen können. Dies ist insofern bemerkenswert, da Kreuzungen aus verwandten Tierarten meist steril sind. Die Fähigkeit, sich fortzupflanzen, ist die Voraussetzung für die Entstehung einer neuen Art.
Hybrid aus Breitschnabeldelfin und Rauzahndelfin vor Hawaii: Der vordere Delfin unterscheidet sich in Forscheraugen deutlich von seiner mutmaßlichen Mutter (hinten). Quelle: © Kimberly A. Wood/Cascadia Research
Foto oben: Wikicommons / Mark Interrante from Silicon Valley, USA.
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