„Mystique“: Ein Delfin, der uns den Spiegel vorhält

Ein australischer Delfin zeigt uns eindringlich, wie schlecht wir seinen Lebensraum behandeln
Buckeldelfin „Mystique“ hat eine Vorliebe für Schatzsuche und damit die Herzen der Besucher:innen der Tin Can Bay nördlich von Brisbane erobert. Der Grund liegt auf der Hand: Das 29-jährige Männchen bringt Geschenke vom Meeresboden im Tausch gegen Futter. Seit kurzem aber trägt er statt schöner Muscheln unansehnlichen Müll zu den Menschen. Will uns der clevere Delfin auf diese Weise sagen, dass unsere Abfälle in seinem Wohnzimmer nichts zu suchen haben?
„Er bringt uns jeden Tag neue Schätze“
Die Delfin-Mensch-Beziehung an der Tin Can Bay im australischen Queensland hat eine lange Geschichte. Sie begann in den frühen 1950er Jahren, als ein verletzter Delfin an der Küste strandete. Die Einheimischen halfen dem Meeressäuger, wieder auf die Beine zu kommen. Als er schließlich stark genug war, um selbst zu jagen, schwamm er wieder ins offene Meer. Zur Überraschung der Australier:innen kehrte er aber kurze Zeit später mit Freunden zurück und blieb dem Ort verbunden. Heute lebt eine neunköpfige Delfingruppe vor der Küste, darunter „Mystique“. Und es ist offensichtlich, dass gerade der 29-jährige Buckeldelfin die Nähe zu den Menschen in vollen Zügen genießt.
„Mystique“ hat eine besondere Vorliebe dafür entwickelt, Schätze vom Meeresgrund zu bergen und diese seinen „Fans“ zu präsentieren. Sein Repertoire umfasst Muscheln, große Holzstücke, Korallen und antike Flaschen, die er geschickt auf seiner Schnauze balanciert. „Und als Dankeschön verwöhnen wir ihn mit einem leckeren Fisch. Wir haben ihm das nicht antrainiert – in gewisser Weise hat er uns dazu erzogen. Er versteht den Handel und bringt uns jeden Tag neue Schätze“, erklärt Lyn McPherson, die als Freiwillige im Delfinfütterungszentrum* arbeitet. Mittlerweile hat sich eine ganze Sammlung an Souvenirs angehäuft, die der Delfin an Land gebracht hat.
Ein cleverer Schachzug von „Mystique“
In jüngster Zeit sind es aber vermehrt (Bier-)Flaschen, rostige Metallketten und anderes Zeug, was im Meer nichts zu suchen hat. Es scheint, als würde der Delfin absichtlich nach Müll suchen, den er dann zu den Menschen bringt. Sein Verhalten gibt Anlass zu zahlreichen Spekulationen, gleichzeitig macht „Mystique“ seinem Namen alle Ehre. Das Wichtigste ist aber, dass seine Taten nicht ohne Folgen bleiben. Sorgte schon die Tatsache, dass er Menschen „Geschenke” überreicht, für große Aufmerksamkeit, so hat sein jüngstes Verhalten ebenfalls Aufsehen erregt. Sowohl die begleitende Berichterstattung über dieses Phänomen als auch die stets diskutierte Frage, ob uns ein Delfin auf subtile Weise den Hinweis geben will, dass menschlicher Abfall in seinem Zuhause nichts verloren hat, rückt das Thema Umweltverschmutzung in den Fokus. Der übereinstimmende Tenor in den Medien und auf Social Media: Das Verhalten eines Meeressäugers erinnert uns eindringlich daran, Flüsse und Meere nicht zu verschmutzen.
Danke, „Mystique“!
* Dass Delfine in der Tin Can Bay von Menschen gefüttert werden, entspricht nicht dem Verhaltenskodex der GRD in Bezug auf wildlebende Meeressäuger. Um das Verhalten von „Mystique“ angemessen darzustellen, ist es jedoch notwendig, jene Einrichtung zu erwähnen, in der die Delfine gefüttert werden. Gleichzeitig sei angemerkt, dass in Australien strenge Gesetze hinsichtlich der Kontaktaufnahme mit Delfinen existieren: Das Schwimmen mit oder Berühren von Delfinen ist verboten und kann mit Geldstrafen von bis zu 8.000 Dollar geahndet werden.
Fotos: barnaclesdolphins
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