Schwarzdelfine bevorzugt: Wichtige Erkenntnisse zum Jagdverhalten von Orcas im Humboldtstrom

Neues Datenmaterial liefert wichtige Hinweise zum Verständnis einer mysteriösen Orca-Gruppe
Erstmals ist es Wissenschaftler:innen gelungen, eine bis dato weitgehend unbekannte Population von Orcas vor der chilenischen Küste zu erforschen – insbesondere hinsichtlich ihres Jagdverhaltens. Die Beobachtungen deuten darauf hin, dass diese Orcas außergewöhnlich geschickte Säugetierjäger sind, die Delfine attackieren und ihre Beute anschließend untereinander aufteilen. Dies könnte darauf hindeuten, dass sie zum Ökotyp Typ A gehören – ein potenziell wichtiges Puzzlestück für das Verständnis und die Erhaltung der Orca-Populationen in der südlichen Hemisphäre.
Wer teilt, gewinnt
Vor der Küste Chiles, in den nährstoffreichen Gewässern des Humboldtstroms, lebt eine schwer fassbare und wenig bekannte Orca-Population. Jahrelang haben Wissenschaftler:innen der Universidad de Antofagasta (Chile) diese Gruppe bereits zu erforschen versucht, jetzt ist dem Team ein entscheidender Durchbruch gelungen: Zum ersten Mal wurden die Orcas dabei beobachtet, wie sie Schwarzdelfine, eine kleine Delfinart der südlichen Hemisphäre, jagten und fraßen. Diese Erkenntnisse wurden in einer am 25. September 2024 in der Zeitschrift Frontiers of Marine Science veröffentlichten Studie dokumentiert.

Die Orca-Gruppe in der Bucht von Mejillones wurde bei der Jagd auf Delfine beobachtet (A, B). Dabei fiel besonders das Weibchen “Dakota” auf, das einen Delfin verfolgte, ihn in die Luft schleuderte und schließlich erlegte. Weitere Aufnahmen (C, D) dokumentieren, wie “Dakota” die Beute mit einem jungen Männchen teilt. Auf Bild (E) ist das ausgewachsene Männchen “Aguilar” zu sehen, das den Delfin verspeist, während Bild (F) schließlich das junge Weibchen, vermutlich die Mutter des Kalbes, zeigt, wie es das letzte Stück Delfinfleisch verzehrt.
Fotos: Barrera (A, B), Luis Aguilar (C-F).
In einem Fall wurde ein Orca-Weibchen dabei beobachtet, wie es einen Schwarzdelfin durch die Luft schleuderte (Foto oben). Das dazugehörige Foto zeigt den Delfin kopfüber und vollständig über dem Wasser. Die Wissenschaftler dokumentierten zudem – unter anderem per Kameradrohne, wie die Orcas die Meeressäuger fraßen und häufig mit anderen teilten. So wurde beobachtet, wie ein älterer Schwertwal die Beute einer Jagd mit einem Kalb teilte.
Diese neuen Erkenntnisse über ihre Fressgewohnheiten helfen Expert:innen, die Verbindungen zwischen den Orca-Populationen in der südlichen Hemisphäre besser zu verstehen. Auf diese Weise können die Bemühungen um den Schutz dieser Tiere intensiviert werden. Denn das Verständnis ihrer Rolle in der Meeresumwelt ist entscheidend für die Erhaltung der wenig bekannten Art im Humboldtstrom.
Du bist, was du isst
Orcas sind Spitzenprädatoren mit einer beeindruckend vielfältigen Ernährung – jedoch fressen nicht alle Orcas dasselbe. Populationen werden aufgrund ihrer bevorzugten Nahrung, ihrer Kommunikation und ihrer genetischen Merkmale verschiedenen Ökotypen zugeordnet. Das Verständnis dessen, was die Orcas des Humboldtstroms fressen, ist ein wichtiger Schritt, um zu bestimmen, wo sie unter den anderen Orcas der Welt einzuordnen sind. In der südlichen Hemisphäre gibt es fünf verschiedene Ökotypen: Einige, wie die Orcas vom Typ A und B1, ernähren sich von Meeressäugern, während andere Fisch bevorzugen. (Lesetipp: Update – Begegnungen von Orcas mit Segelbooten)
Im Video: Die Orcas teilen sich die Beute: einen Schwarzdelfin
Zu welchem Ökotypus gehören die chilenischen Orcas?
Die Forscher:innen der Universidad de Antofagasta dokumentierten die Anzahl der Orcas, deren Gruppenzusammensetzung und Standorte mithilfe von Fotos und Videos, die mit Katalogen bekannter Individuen abgeglichen wurden. Durch die Kombination dieser Daten mit systematischen Erhebungen und Drohnenaufnahmen erstellten die Wissenschaftler:innen eine Karte der Orca-Präsenz in dem Gebiet und verfolgten das Verhalten sowie die Beutewahl der Gruppen. So gelang es ihnen, Beweise zu sammeln, dass die bis dato nahezu unbekannte Orca-Gruppe erfolgreich Delfine jagt – eine Art, die in dem Gebiet nachweislich noch nie von Orcas gefangen wurde.
Die Sichtungen könnten darauf hindeuten, dass diese Orcas zum Säugetier-jagenden Ökotyp Typ A gehören. Ihre Beutetiere und die geringe Größe ihrer Gruppe unterstützen die Hypothese, auch wenn ihre weißen Augenflecken kleiner sind als typischerweise bei Orcas vom Typ A. Zudem wurden sie in Patagonien noch nie gemeinsam mit anderen Orcas vom Typ A beobachtet.
Foto oben: Credit: Maikol Barrera
Weitere Artikel
GRD übergibt 24.144 Unterschriften gegen Delfinschlachtungen
Aus Tradition töten Japaner und Färinger jedes Jahr zu Hunderten intelligente Delfine und verwandeln die Buchten regelmäßig in blutige Schlachthäuser. Gegen diese grausame Praxis protestierten am World Dolphin Day (Freitag, 12. September) auf Initiative der Gesellschaft zur Rettung der Delphine e.V. (GRD) in Berlin zahlreiche Demonstrant:innen. Im Rahmen dieser Aktion übergab die GRD über 24.000 Unterschriften gegen das Töten an die Botschaften von Dänemark und Japan. Mit einer symbolischen Blutspur zwischen den Botschaften machten die Teilnehmenden zusätzlich auf die Schlachtungen aufmerksam.
weiterlesenIsar-Clean-Up: 26,7 Kilogramm Müll pro Kilometer
Zum fünften Mal in Folge fand das Isar Clean-Up der Gesellschaft zur Rettung der Delphine e.V. (GRD), Voice of the seas und ColorSwell statt. Am 7. September sammelten ca. 30 Freiwillige zwischen Wittelsbacher- und Corneliusbrücke Plastik, Kronkorken, Zigarettenkippen und weiteren Abfall. Seit 2021 wurden so bereits über 200 Kilogramm Müll vom Ufer der Isar entfernt, darunter mehr als 90.000 Zigarettenfilter, die potenziell rund 5,5 Millionen Liter Wasser hätten verunreinigen können.
weiterlesenAdria: Mehrere tote Delfine binnen weniger Tage
Innerhalb weniger Tage wurden in der kroatischen Adria drei tote Delfine gefunden – in der Nähe der Pelješac-Brücke, südlich von Split bei Šolta und Brač sowie bei den Kornaten-Inseln. Die Fundorte liegen über 200 Kilometer auseinander, doch die zeitliche Häufung lässt uns aufhorchen. Die Polizei hat Ermittlungen aufgenommen.
weiterlesen