Tödliches Schweinswal-Massenstreicheln in Grömitz: So reagieren Öffentlichkeit, Polizei und Tierschützer
Mehrere Strandbesucher haben einen kleinen Schweinswal gequält, um mit ihm Fotos und Videos zu machen
Am Freitag, 9. Juli 2021, ist ein Schweinswal am Ostseestrand von Grömitz von mindestens 20 Personen eingekesselt und gefangen gehalten worden. Kurze Zeit später wurde das Tier leblos aufgefunden. Während Tierschützer entsetzt über das verantwortungslose Handeln der Badegäste sind, informierte die Staatsanwaltschaft die GRD-Redaktion über den aktuellen Stand der Ermittlungen. (ein Update zum Status der Ermittlungen finden Sie hier)
Es sind verstörende Szenen, die sich am 9. Juli im Badegebiet von Grömitz abgespielt haben müssen: Angaben der Lübecker Staatsanwaltschaft und der zuständigen Polizeidirektion zufolge haben mehrere Erwachsene einen kleinen Schweinswal eingekesselt, um ihn an der Wasseroberfläche zu halten. Anschließend wurden über 20 Kinder ins Wasser gerufen, die den streng geschützten Meeressäuger festgehalten, umarmt und gestreichelt haben sollen. Zudem wurden Bilder und Videos erstellt und in den sozialen Medien geteilt.
Ermittlungen gegen Schweinswal-Quäler eingeleitet
Zeugenaussagen zufolge war der Schweinswal zunächst noch agil, sei dann aber kontinuierlich schwächer geworden. Kurze Zeit später ist er im Badegebiet verendet und wurde einem Seehundjäger übergeben. Dieser veranlasste einen sofortigen Transport zum Institut für Terrestrische und Aquatische Wildtierforschung (ITAW) nach Büsum. Eine Ärztin diagnostizierte bei der Erstsektion Herz- und Lungenwürmer. Sie konnte aber nicht ausschließen, dass der Schweinswal aufgrund des intensiven Kontaktes mit den Badegästen in Grömitz verendet ist.
Die Schweinswal-Quäler haben das Tier längere Zeit über Wasser gehalten, um Videos und Fotos aufzunehmen. Video: © Polizei
Auf Basis dieser Erkenntnisse wurden seitens der Wasserschutzpolizeistation Fehmarn und der Lübecker Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Basis ist der §71 des Bundesnaturschutzgesetzes. Es stellt unter Strafe, wenn wildlebenden Tieren der streng geschützten Arten nachgestellt wird, sie gefangen, verletzt oder getötet werden. Vorsätzliches Handeln kann mit einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren, Fahrlässigkeit mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren geahndet werden.
Bis dato konnten keine Tatverdächtigen zum Schweinswal-Vorfall identifiziert werden
Zum aktuellen Stand der Ermittlungen teilte Oberstaatsanwältin Dr. Ulla Hingst unserer Redaktion am 20. Juli 2021 mit, dass auch aufgrund des geringen Zeugenaufkommens noch keine Tatverdächtigen identifiziert werden konnten. Ferner gibt es noch keine konkreten Zahlen zur Gesamtzahl der beteiligten Personen. Zeugen des Vorfalles können sich telefonisch unter der Rufnummer 04371-5030860 melden oder eine E-Mail an fehmarn.wspst@polizei.landsh.de senden. Aktuellen Medienberichten zufolge könnte das vorliegende Pressematerial auch bald unverpixelt an die Öffentlichkeit weitergegeben werden, um die Fahndung zu beschleunigen. (Ein Update zum Status der Ermittlungen finden Sie hier)
Polizei und Staatsanwaltschaft sprechen an alle Beteiligten eine Warnung in Bezug auf sogenannte Zoonosen aus. Dabei handelt es sich um Infektionskrankheiten, die von Viren, Bakterien, Pilzen, Protozoen und anderen Parasiten verursacht und wechselseitig zwischen Tieren und Menschen übertragen werden können.
Der „Deutschland-Wal“ ist unmittelbar vom Aussterben bedroht
Weshalb das unverantwortliche Handeln der Touristen in Grömitz so hohe Wellen schlägt, dass über den Vorfall national berichtet wird, zeigt ein Blick auf die Fakten: Schweinswale (Phocoena phocoena) zählen zu den streng geschützten und stark gefährdeten Tierarten. Die Population der sogenannten „Deutschland-Wale“ in der mittleren und östlichen Ostsee beträgt nur noch rund 500 Tiere, dementsprechend sind sie unmittelbar vom Aussterben bedroht. (lesen Sie hierzu auch: Das Sterben der Ostsee-Schweinswale) Im Gegensatz beispielsweise zu Delfinen sind Schweinswale relativ scheu und nähern sich nur selten Booten. Auch vollführen sie keine Luftsprünge und sind nur selten an der Wasseroberfläche zu sehen. Die durchschnittlich 1,60 Meter langen Tiere haben eine Lebenserwartung von 22 Jahren, erreichen oftmals aber nur ein Alter von zwölf Jahren.
Gegen die Schweinswal-Quäler haben Polizei und Staatsanwaltschaft Ermittlungen eingeleitet. Foto: © Polizei
Es ist ein No-Go, Meeressäuger zu berühren oder gar zu füttern, um sie anzulocken
„Bei der Begegnung mit Wildtieren, insbesondere Meeressäugern gibt es klare Richtlinien und Regeln, an die man sich halten muss, damit es sowohl für Mensch als auch Tier eine respektvolle und auch angemessene Begegnung werden kann”, erklärt Verena Platt-Till, von der Gesellschaft zur Rettung der Delphine e.V. (GRD). Die Diplom-Biologin führt an, dass erst im vergangenen Jahr dazu gemeinsam mit der WDC ein Leitfaden für die Beobachtung von Meeressäugern in deutschen Gewässern veröffentlichten wurde. Demnach gelten folgende Grundsätze:
• Abstand halten und das Tier die Entscheidung überlassen, ob es sich nähern möchte
• Es ist ein No-Go, Meeressäuger zu berühren oder gar zu füttern, um sie anzulocken
„Leider wird viel zu oft vergessen, dass es sich bei Schweinswalen um Wildtiere bzw. Beutegreifer handelt, von denen auch Gefahren ausgehen können. So können Bakterien bei Übertrag von Tier auf Mensch Infektionskrankheiten, etc. entstehen und auch vice versa”, erklärt Verena Platt-Till. Eine unvergessliche Begegnung sei nur möglich, wenn diese von beiden Seiten auf Gegenseitigkeit beruht und nicht erzwungen werde – so wie jetzt in dem Fall bei Grömitz. „Es ist unfassbar, dass das egoistische Verhalten über dem Wohl des Tieres stand. So was darf nicht noch einmal passieren und wir verurteilen dieses Verhalten aufs Schärfste“, erklärt Verena Platt-Till.
So reagieren unsere Facebook-User auf die Schweinswal-Quälerei
Der Vorfall am Ostseestrand von Schleswig-Holstein hat in den sozialen Medien Betroffenheit und Anteilnahme, aber auch wütende Reaktionen hervorgerufen. So schreibt Nutzerin „Marion Komes auf der GRD-Facebookseite: „Was geht in den Köpfen dieser Menschen nur vor? Anstatt sich an den Tieren zu erfreuen nehmen sie diese in die Hand und stressen sie. Unverantwortlich. Sie sollten bestraft werden.“ „Luraya Sky“ ist der Meinung: „Die Eltern haben da auf ganzer Linie versagt, den Kindern Respekt vor wilden Tieren oder Tiere allgemein beizubringen.“ Und Katharina Buchmann postet: „Einfach nur widerlich! Aber Hauptsache, ein Selfie und ein paar Videos gemacht und irgendwo dumm-stolz hochgeladen.“
Fotos und Videos: © Polizei Lübeck
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