Das Sterben der Ostsee-Schweinswale
Erschreckende Zahlen
Es ist ein Desaster und unterstreicht einmal mehr das völlige Versagen Deutschlands beim Schutz bedrohter Meerestiere. Denn die Zahl tot an der deutschen Ostseeküste gestrandeter Schweinswale bleibt nach Auskunft des Bundesumweltministeriums auf eine Anfrage der Bundestagsabgeordneten Steffi Lemke (Die Grünen) weiter auf hohem Niveau. So strandeten 2019 an der schleswig-holsteinischen Ostseeküste 133 Schweinswale. An den Stränden Mecklenburg-Vorpommerns fand man 47 tote Schweinswale. Damit erreichte die Zahl der Totfunde an der Ostseeküste 2019 den dritthöchsten Stand nach 2016 (221) und 2018 (203). Die Dunkelziffer nicht gefundener Tiere ist unbekannt.
Hat Deutschland mehr als 10 Prozent seiner zentralen Schweinswal-Population verloren?
Dabei schmerzen die Verluste in Mecklenburg-Vorpommern besonders. Denn in der zentralen Ostsee lebten nach der letzten Zählung vor sechs Jahren noch etwa 500 Individuen (SAMBAH 2014). Jeder Totfund eines Schweinswals ist hier einer zu viel. Unklar ist allerdings, ob die Totfunde in Mecklenburg-Vorpommern alle aus dieser Population stammen. Dennoch könnte sie innerhalb eines Jahres um 10 Prozent ihre Gesamtbestandes verloren haben. Denn aktuell sollen noch ca. 300 Schweinswale in der zentralen Ostsee leben.
Immer mehr tote Schweinswale
Zwischen 2000 und 2016 stieg die Zahl tot aufgefundener Schweinswale an unseren Küsten stetig an, von 67 auf 427. Ein trauriger Rekord.
Meist halten sich die Totfund-Zahlen an der Nord- und Ostsee in etwa die Waage. Von der Nordseeküste liegen für 2019 jedoch noch keine Zahlen vor.
Fehmarn: Gestrandeter Weißer Schweinswal. Foto: Niels Ristau
Verfehlte Meerespolitik – Keine wirksamen Meeresschutzgebiete
Für Steffi Lemke sind die toten Tiere „eine direkte Folge einer verfehlten Meerespolitik“. Diese gipfelt darin, dass es „keine wirksamen Meeresschutzgebiete in Deutschland gibt“. Denn diese existieren nur auf dem Papier.
So wird laut einer Studie des Geomar Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung in Kiel „in Schutzgebieten sogar intensiver gefischt als außerhalb“. Die Kieler Experten gehen von einer um 40 Prozent stärkeren Fischereiintensität in Meeresschutzgebieten aus. Das ist ein Skandal!
Tote Schweinswale: Beifang im Fischernetz
In Schutzgebieten sind Schweinswale oder die gleichfalls mit hohen Verlusten kämpfenden Kegelrobben in der Ostsee nicht sicher. Im Gegenteil. Beifangverluste in Fischernetzen sind die Haupttodesursache.
Foto: Krzysztof E. Skora/Hel Marine Station
RIB-Tours – Schweinswal-Totfahren für Spaßtouristen
Von Flensburg bis Usedom bieten immer mehr Veranstalter sogenannte RIB-Touren für Urlauber an. Schweinswale, besonders Mütter mit ihrem Nachwuchs, haben nicht den Hauch einer Chance, den auf bis zu 1000 PS hochmotorisierten Festrumpf-Schlauchbooten (RIBs) auszuweichen. Sogar in einer Schweinswal-Kinderstube, vor Fehmarn, mitten in der Kalbungs- und Säugezeit und durch Schutzgebiete dürfen RIB-Touren stattfinden. Die zuständigen Ministerien sehen hier offensichtlich keinerlei Handlungsbedarf.
Bundestagsabgeordnete fordert Nullnutzungszonen
Steffi Lemke schließt sich den Forderungen vieler Natur- und Meeresschutz-Organisationen an. Es müssen „endlich wirksame Rückzugsorte und verbindliche Regeln für den Meeresschutz in Deutschland“ gelten. Wichtig sind dabei „Nullnutzungszonen, in denen Schweinswale, Robben und andere Tiere Schutz finden“.
Unsere einzigen heimischen Wale, wie lange noch?
Schweinswale gehören nicht zu den Delfinen, werden aber oft mit ihnen verwechselt und z. B. Kleiner Tümmler genannt. Laut eines aktuellen Berichts des Bundesamtes für Naturschutz (BfN) und des Rote-Liste-Zentrums (RLZ) ist die Art stark gefährdet. Die Population der zentralen Ostsee ist vom Aussterben bedroht.
Zusätzlich zur Fischerei haben unsere einzigen heimischen Wale noch mit Meeresverschmutzung, Schifffahrt und der Sprengung alter Munition zu kämpfen.
So starben vergangenes Jahr 18 Schweinswale, als die Bundesmarine während eines Manövers im Fehmarnbelt britische Seeminen aus dem Ersten Weltkrieg sprengte. Diese Sprengungen fanden in einem ausgewiesenen Meeresschutzgebiet statt.
Foto: Sven Koschinski/www.fjord-baelt.dk
Foto oben: Ronald Hahn
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