Gebrochene Schnauzen bei Buckeldelfinen

Wie kommt es zu Anomalien an den Schnauzen von Buckeldelfinen?
In Südafrika zählen Buckeldelfine zu den am stärksten vom Aussterben bedrohten Meeressäugern. Es gibt noch etwa 500 von ihnen. Als wäre dieser Umstand nicht schon Grund genug zur Besorgnis, haben Forscher:innen in den vergangenen Jahren vermehrt Buckeldelfine mit abnormalen Schnauzen beobachtet. Was steckt dahinter?
Eindeutig gebrochene Kieferknochen bei zahlreichen Buckeldelfinen
Wenn Buckeldelfine auftauchen, läuft es nach einem eingespielten Muster ab: Der Kopf folgt auf die Schnauze, der Delfin holt Luft, indem er laut aus- und wieder einatmet, anschließend beugt er sich nach vorne, betont seinen charakteristischen Rücken und entblößt seine Rückenflosse. Nur Buckeldelfine tauchen auf diese Weise auf. In den letzten Jahren haben die Wissenschaftler:innen in verschiedenen Gebieten vor der Küste Südafrikas allerdings Auffälligkeiten am Kopf zahlreicher Tiere beobachtet. War die Schnauze gebrochen?
Insgesamt zehn Expert:innen aus sieben Organisationen arbeiteten in der Folge intensiv zusammen und werteten unzählige Delfinfotos aus, die in sieben Gebieten aufgenommen wurden: False Bay, Gansbaai, Struisbaai, St. Sebastian Bay, Mossel Bay, Plettenberg Bay und Richards Bay. Sie stellten dabei fest, dass elf Prozent der untersuchten Tiere Anzeichen von abnormalen Schnauzen aufwiesen. Genauer: Bei 19 der 31 Individuen konnten eindeutig gebrochene Kieferknochen festgestellt werden, weitere neun Tiere hatten verdrehte oder missgebildete Kiefer. Einige dieser Deformationen haben ernsthafte Folgen für die Delfine. Denn nicht nur für den Fang und das Fressen von Fischen und anderer Beute benötigen sie intakte Kiefer, diese sind außerdem für die Echoortung unerlässlich.

Dieser Buckeldelfin wurde mit deformierter Schnauze gefunden. Foto: HDR
Was ist die Ursache?
Eine deformierte Schnauze erschwert es dem Meeressäuger, seine Umgebung wahrzunehmen und Nahrung zu finden beziehungsweise diese zu fangen. Die Forscher:innen waren daher überrascht, dass viele in der aktuellen Studie „Rostrum abnormalities in the endangered Indian Ocean humpback dolphin (Sousa plumbea) in South Africa“ dokumentierten Delfine trotz dieser Handicaps überleben.

Drei vor der Küste von Südafrika schwimmende Buckeldelfine: Bei dem vorne schwimmenden Tier ist die abnormale Schnauze bereits von Weitem sichtbar. Foto: Guilherme Frainer / Sea Search Research and Conservation
Wie aber kommt es zu den Anomalien bei den Buckeldelfinen? Die Ursache war lange Zeit unklar, jetzt aber verdichten sich die Hinweise darauf, dass sowohl die lange, dünne Form ihrer Kiefer (Schädelmorphologie) als auch ihre Jagdstrategien sowie die Belastung durch Schadstoffe verantwortlich sein könnten. So sind Buckeldelfine aufgrund ihrer längeren Schnauzen möglicherweise anfälliger für Verletzungen und ihr Jagdverhalten könnte zu unbeabsichtigten Kollisionen führen: Die Tiere wurden dabei beobachtet, wie sie senkrecht, mit dem Kopf nach unten, über Riffen standen. Mit ihren langen Schnauzen untersuchten sie Spalten und Ritzen und mit einer plötzlichen Seitwärtsbewegung des Kopfes schnappten sie nach jedem auftauchenden Felsfisch. Bleiben sie dabei hängen, kann dies Verletzungen nach sich ziehen.
Eine weitere Theorie der Wissenschaftler:innen orientiert sich an der Annahme, dass die Delfine über die Nahrungskette viele Giftstoffe akkumulieren, welche die Knochendichte der Tiere beeinträchtigen und sie anfälliger für Anomalien macht. Letztere könnten Indikatoren für einen insgesamt schlechten Gesundheitszustand der Population sein.
Wie geht es weiter?
Die Forscher:innen arbeiten derzeit mit einer Gruppe von Expert:innen für Erhaltungsplanung zusammen, um eine Bedrohungsanalyse durchzuführen. Zudem werden weitere Interessengruppen einbezogen, um Strategien für die Arterhaltung des Buckeldelfins im Indischen Ozean zu eruieren.
Über die Entwicklungen halten wir euch selbstverständlich auf dem Laufenden.
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