Buckeldelfine: Allzu viel menschliche Nähe vertragen sie nicht
Küstennah lebende Delfinarten haben es schwer
Umweltfolgen menschlicher Eingriffe treffen sie besonders hart. Von Wasserverschmutzung, intensiver Küstenfischerei, Bautätigkeiten im Küstenbereich, erhöhtem Schiffsverkehr, Förderung von Öl oder Erdgas bis hin zu intensiver touristischer Nutzung durch zudringliche Schwimmer, Surfer und Freizeitkapitänen auf allerlei Wasserfahrzeugen. Da bleibt den Meeressäugern oft zu wenig Ruhe und Nahrung zum Leben. Dies gilt besonders für Buckeldelfine, die eher scheu und zurückhaltend und nicht robust und neugierig wie die größeren Verwandten, die Großen Tümmler, sind.
Doch lassen sich die Auswirkungen all dieser Störungseffekte wissenschaftlich überhaupt quantifizieren? Dieser Frage gingen Forscher der Universitäten von Groningen, Hongkong, der Nelson Mandela Universität aus Port Elisabeth und des South African Institute for Aquatic Biodiversity (SAIAB) aus Grahamstown von 2010 bis 2011 nach.
16 Jahre später
Es gibt nur wenige Langzeitstudien über die Art der Habitatnutzung bei Delfinen. Deshalb suchten die Wissenschaftler für ihre Untersuchungen die bei Port Elizabeth gelegene Algoa-Bucht an der Ostküste von Südafrika auf. Hier hatten einige der beteiligten Forscher schon einmal, in den Jahren 1990 bis 1994, Verhalten, Gruppengröße und Habitatnutzung der in der Bucht heimischen Buckeldelfinart (Sousa plumbea) oder Bleifarbener Delfin untersucht. Es gab also eine exzellente Datengrundlage, um bei Anwendung einer vergleichbaren Methodik der Datenerhebung herauszufinden, ob es Unterschiede gibt im Verhalten der Delfine damals und heute.
Die Welt der Bleifarbenen Delfine in der Algoa-Bucht hat sich in nur 20 Jahren dramatisch verändert
Der Tiefwasserfrachthafen Ngqura ging 2009 in Betrieb. Die Zahl jährlich stattfindender Wassersportveranstaltungen mit stetig steigenden Teilnehmerzahlen stieg auf mindestens 6 Events. Darunter ein Iron Man, an dem 2005 noch 751 Sportler teilnahmen, während es 2010 bereits 1.840 waren. All dies war über die Jahre begleitet von einer starken Zunahme an Wassersportfreizeitaktivitäten, besonders zur Ferienzeit im südafrikanischen Sommer.
Wie haben die Delfine die Veränderungen in ihrer Umwelt verkraftet?
Foto: Kai Binder, Das Netz.
Die spannende Frage war nun, wie die Bleifarbenen Delfine das alles verkraftet haben. Nicht wirklich gut, lautet das Fazit der vergleichenden Studie.
Die beobachteten Verhaltensveränderungen waren deutlich. Generell zeigten sich die grundsätzlich eher scheuen Bleifarbenen Delfine seltener und die durchschnittliche Gruppengröße war von sechs auf drei Individuen gesunken. Dagegen war der Anteil einzeln umherstreifender Tiere von 15,4 Prozent aller beobachteten Tiere im Jahr 1990 auf jetzt über 36 Prozent gestiegen. Während die Tiere 1990 noch die meiste Zeit mit der Nahrungssuche verbringen konnten (64 Prozent), scheint ihnen jetzt die Muße dazu zu fehlen. Fast 50 Prozent ihrer Zeit verbringen sie heute mit Umherschwimmen und zeigen dabei deutliche Ausweichreaktionen gegenüber Schwimmern und Booten. Nur noch selten zu sehen waren soziale Interaktionen zwischen den Delfinen.
An menschlichen Aktivitäten desinteressiert
Insgesamt konnten die Forscher 92 verschiedene Verhaltensweisen als Reaktion auf menschliche Aktivitäten bei den Delfinen identifizieren. Dabei gab es keine positiven Reaktionen, weder auf im Wasser befindliche Menschen noch auf Boote oder Fischereifahrzeige. Mehrheitlich zeigten sich die Tiere uninteressiert (65, 2 Prozent), in allen anderen Fällen wichen sie entweder aus oder flohen, Gruppen teilten sich dabei in kleinere Einheiten auf und verließen das beobachtete Gebiet.
Der Fluch der Buckeldelfine
Junger Buckeldelfin. Foto: Brett Atkins.
Alle der derzeit anerkannten vier Buckeldelfinarten leben extrem küstennah. In der Algoa-Bucht meist in nicht mehr als 500 m Abstand zur Küste in nicht mehr als 20 m Wassertiefe. Deshalb konnte man die Delfine fast ein Jahr lang problemlos von mehreren erhöhten Beobachtungsposten störungsfrei von Land beobachten, ohne durch die Untersuchung Einfluss auf ihr Verhalten zu nehmen.
Auf der Roten Liste der bedrohten Arten der World Conservation Union (IUCN) sind Buckeldelfine in der Kategorie “Gefährdung droht” eingestuft. Besserung ist angesichts der Lebensweise und der durch die Studie untermauerten starken Intoleranz gegenüber Veränderungen in ihrem Lebensraum dieser nur wenig erforschten Delfinart nicht in Sicht. Es sei denn, die Menschen räumen den scheuen Meeressäugern endlich dringend benötigte Rückzugs- und Schutzgebiete ein.
Foto oben: Kurt Räz.
LineL
LineL lebt das ganze Jahr über in den Gewässern von Richards Bay und wurde im Mai 1998 erstmals gesichtet. Auf dem Bild ist sie mit Nachwuchs "Lilo" (hinten) zu sehen.
Zipper
Zipper ist ein Weibchen. Erstmals vor Richards Bay gesichtet wurde sie 1991. Damals muss sie ca. 10 Jahre alt gewesen sein. Die mehrfache Mutter und Delfin-Oma dürfte heute mindestens 40 Jahre alt sein.
Venus
Das Delfinweibchen Venus (im Bild hinten) wird vor Richards Bay am häufigsten gesichtet. Sie dürfte mindestens 30 Jahre alt sein und ist dreifache Mutter.