Kanada verschärft Gesetze zum Schutz von Orcas
Neue Schutzvorkehrungen in Kraft
In diesem Monat wurde ein großer Schritt zur Erhaltung der im Süden Kanadas beheimateten Orca-Populationen unternommen. Darunter die vom Aussterben bedrohten südlichen ortstreuen Schwertwale (Southern Resident Killer Whales). Seitens der kanadischen Regierung traten nun erneute Verschärfungen von bestehenden Maßnahmen in Kraft, die Orcas vor menschlichen Einflüssen schützen sollen. Darunter neue Regeln für den Schiffsverkehr, wesentliche Fischereibeschränkungen und die Einrichtung von Schutzzonen.
Reduzierung von Gefahrenquellen: Neue Regeln für den Schiffsverkehr
Ab dem 1. Juni 2020 müssen alle Schiffe in kanadischen Gewässern mindestens 400 m von jeder bekannten Schwertwal-Position entfernt bleiben, mit Ausnahme von staatlich zugelassenen Whale Watching- und Forschungsbooten. Darüber hinaus wurde für den Fall einer Begegnung mit Orcas eine Höchstgeschwindigkeit von 7 Knoten eingeführt, um die Möglichkeit zu minimieren, dass Schiffe die gefährdeten Meeressäuger negativ beeinträchtigen. Diese Geschwindigkeitsbegrenzung ist so lange aufrechtzuerhalten, bis sich im Umkreis von einem Kilometer um das Schiff keine Orcas mehr aufhalten. (Lesetipp: Phänomen weißer Orca)
Whale-Watcher beobachten eine Orca Familie nördlich der San Juan Islands in den Gewässern zwischen den USA und Kanada. Foto: Gregory Fuchs
Fischereibeschränkungen und Schutzgebiete
Des Weiteren wurden seitens der Kanadischen Regierung weitreichende Fischereibeschränkungen eingeführt, um die stark dezimierten Königslachspopulationen in diesem Gebiet zu erhalten. Diese Lachsart ist die Hauptbeute der Southern Residents und es wird angenommen, dass die Begrenzung menschlicher Eingriffe in den Fischbestand einen enormen Einfluss auf die Zukunft der Orca-Gemeinschaft haben wird.
Darüber hinaus wurden Schutzgebiete rund um wichtige Nahrungsgründe der Orcas ausgewiesen. Diese Gebiete in den Gewässern südlich von Vancouver Island sollen zwischen Juni und November zu “No-go-Zonen” werden. Hier wurden die Southern Residents in den letzten Jahren vermehrt gesichtet, oder mittels Hydrophon akustisch lokalisiert. Zwar wird die Platzierung der Schutzzonen von Experten kontrovers diskutiert. Jedoch könnten flexible geographische Anpassungen dafür sorgen, dass sie tatsächlich einen positiven Einfluss auf die Orcas haben werden.
Königslachse, die größten der Pazifischen Lachse. Wegen ihres erhöhten Fettgehalts von den Southern Residents bevorzugt, mit etwa 70% Anteil an deren Nahrung. Foto: Gregory Fuchs
Alarmierende Bestandsentwicklungen
Nachdem mehrere Tiere der Gruppe zuletzt als vermisst galten (J17, L84, K25), gab die führende Forschungsorganisation, das Center for Whale Research (CWR), inzwischen offiziell deren Tod bekannt. Leider ist es damit nicht genug. Ein weiterer Orca, L41 “Mega” (einer der wenigen verbliebenen Männchen die erfolgreich Nachkommen zeugten), gilt nun bereits seit Januar als vermisst. Wenn ein Southern Resident so lange nicht an der Seite seiner Familie gesichtet wird, stehen die Chancen auf ein Wiedersehen sehr schlecht.
Orcas aus dieser Gruppe sind dafür bekannt, extrem gruppentreu zu sein. Sie bleiben im Regelfall ein Leben lang in engen Familiengruppen (Pods) und sogar innerhalb ihrer Mütterlinien (Matrilines). Mit dem wahrscheinlichen Tod von L41 gelangt die Populationsgröße auf ein Rekordtief von 72 Tieren. Dies gab es seit über 30 Jahren nicht und ist ein eindeutiges Indiz für deren kritischen Zustand.
Populationsgröße der Southern Resident Orcas seit der ersten vollständigen Erhebung im Jahr 1976 mit neuem, historischen Tiefstand. Graph: Gregory Fuchs, nach frei verfügbaren Daten des CWR
Forschungsergebnisse untermauern kritischen Zustand der Southern Residents
Die auf Fisch spezialisierten Residents sind genetisch klar von anderen Schwertwal-Formen (oder auch Ökotypen/Ecotypes), wie beispielsweise den ebenfalls in den Gewässern des östlichen Nordpazifik vorkommenden Transients (ernähren sich fast ausschließlich von Meeressäugern), differenziert. Während die Southern Resident Orcas weiter ums Überleben kämpfen, verzeichnen die Transients eine stetig steigende Populationsgröße mit vielen erfolgreichen Geburten. Luftaufnahmen mittels Drohnen offenbarten zuletzt Anzeichen extremer Unterernährung bei den Southern Residents, während die Transients dagegen wohlgenährt erscheinen.
Diese Beobachtungen sind ein starkes Anzeichen dafür, dass Nahrungsknappheit (durch schwindende Lachs- gegenüber sich erholenden Robbenvorkommen) der ausschlaggebende Faktor im Kampf ums Überleben der Orcas sind und negative Synergien mit anderen Gefahrenquellen erhöhen. So werden beispielsweise Umweltgifte (wie die sich nur sehr langsam abbauenden PCBs) in Zeiten von Mangelernährung noch gefährlicher für Wale und Delfine wie Orcas. Indem Fettreserven aufgebraucht werden, verstoffwechselt sich dort angelagertes Gift und gelangt in die Blutbahn, um dort Veränderungen des Hormonsystems und damit Schädigungen der Gesundheit herbeizuführen.
Gefährliche Synergie-Effekte: Zu den Hauptgefahren durch den Schiffsverkehr für Delfine und Kleinwale wie Orcas, zählt die akute Lärmbelastung in ihrem marinen Lebensraum. Durch negative Synergien mit weiteren Gefahren wie andauernder Nahrungsknappheit und Umweltverschmutzung sind besonders die Southern Residents einem gefährlichen Mix an menschlichen Einflüssen ausgeliefert, die ihr Überleben unmittelbar aufs Spiel setzen. Grafik: Gregory Fuchs
Forscher fanden zudem heraus, dass zwischen den Ökotypen im Nordpazifik keine Fortpflanzung stattfindet. Das spitzt die prekäre Situation der Southern Residents weiter zu. Genetische Untersuchungen bewiesen nun Inzucht innerhalb der Gruppe. Der resultierende Mangel an genetischer Varianz ist ein weiteres Problem für die ohnehin schon mit großer Sorge betrachtete Population. Erschwerend hinzu kommt, dass aus den vorgenannten Gründen etwa 75% aller Geburten der Southern Residents scheitern und von den erfolgreich geborenen Kälbern weitere 42% sterben!
Zukunft ungewiss: Unser Handeln ist entscheidend
Entschiedenes Handeln wie das der kanadischen Regierung ist notwendig, um das drohende Aussterben der Southern Residents zu verhindern. Da sich freilebende Orcas für internationale Grenzen nicht interessieren, ist es besonders wichtig dass auch die USA weiter einschneidende Maßnahmen zum Schutz von Lachsen und Walen vorantreibt. Die Regierungen beider Länder sollten zudem effektiver zusammenarbeiten, denn nur so kann flächendeckender Schutz entlang der Wanderrouten der Wale ermöglicht werden.
Männlicher Southern Resident Orca J27 “Blackberry” fast regungslos auf der Seite, während er gelegentlich mit seinen Flippern (Brustflossen) auf die Wasseroberfläche schlägt. Foto: Gregory Fuchs
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