40 tote Kegelrobben vor Rügen: Fischereigerät offenbar Ursache

von | 7. November 2024 | News - Fischerei

Was bisher zum Robbensterben vor Rügen bekannt ist

Seit Anfang Oktober wurden über 40 verendete Kegelrobben an den Küsten Rügens und am Greifswalder Bodden gefunden – und die Zahl könnte noch höher liegen. Die Ursache wurde nach langer Suche ermittelt: Tod durch Ersticken bzw. Ertrinken, vermutlich in Fischereigerät. Doch die Frage bleibt, wie genau es zum Massensterben gekommen ist – und welche Maßnahmen ergriffen werden müssen, um die Robbenpopulation nachhaltig zu schützen.

Das ist in den vergangenen vier Wochen passiert:

Die ersten verendeten Kegelrobben wurden Anfang Oktober an den östlichen und südlichen Küsten von Rügen sowie am Greifswalder Bodden entdeckt. In den darauffolgenden Tagen mehrten sich die Funde und die Gesamtzahl der Kadaver stieg kontinuierlich an. Mitte Oktober lag sie bei etwa 20, eine Woche später bereits bei 30 verendeten Tieren. 

Inzwischen wurde die Marke von 40 gestorbenen Kegelrobben erreicht. Die Dunkelziffer kann noch weitaus höher liegen, da nicht jede Robbe angespült wird. Einige gehen unter oder werden gefressen, andere – wie das von uns bei einer Geisternetzbergung im April 2023 gefundene Tier (siehe Foto unten) – sind in Fischereigerät verfangen und werden nur durch Zufall von Tauchern entdeckt. 

Fest steht: Innerhalb kurzer Zeit ist damit etwa ein Fünftel der geschätzten 200 Kegelrobben, die in der Region leben, verendet – ein kritischer Schwellenwert ist überschritten.

Diese Vermutungen zur Todesursache wurden ausgeschlossen:

Die Sektionen ergaben bislang keine Hinweise auf eine natürliche Todesursache. Die Vogelgrippe – aus Dänemark bekannt – konnte ausgeschlossen werden. Auch für menschliches Einwirken, z.B. in Folge von Bauarbeiten oder Fischerei-Aktivitäten im betreffenden Küstenabschnitt, lagen den Behörden keine belastbaren Nachweise vor. Kontrollen einer Reuse vor Thiessow durch die Fischereiaufsicht, unter Einsatz von Unterwasserkameras, blieben nach Aussage der Landesregierung ergebnislos.

Das geht aus den Untersuchungen hervor:

Die Kegelrobben starben durch Ersticken – dies ergaben Untersuchungen des Deutschen Meeresmuseums in Stralsund und der Tierärztlichen Hochschule (TiHo) Hannover. Man habe in der Sektion Hinweise auf Erstickungstod und Beifang gefunden, erklärte Dr. Judith Denklinger aus Stralsund. Darunter hervorquellende Augen und Abriebe an Kopf und Flossen. Die TiHo Hannover soll typische Ertrinkungssymptome ebenfalls bestätigt haben.

Laut Denklinger sei das wahrscheinlichste Szenario, dass sich die Tiere in Fischfanggerät verheddert haben, zumal einige Tiere mit gefüllten Mägen gefunden wurden. Dies sei typisch: Die Robben schlagen sich im Netz den Bauch voll, können nicht mehr auftauchen und ertrinken.

Verdachtsmomente durch intensive Kontrollen überprüfen:

Dass Kegelrobben sich bei ihren Beutezügen in Geisternetzen verfangen und dort einen qualvollen Tod sterben, dies haben wir 2023 bei einer Bergungsaktion vor Rügen hautnah miterlebt. Auch mit einer anderen Organisation (Baltic Sea Heritage Rescue Project) hatte unser Projektpartner Wolfgang Frank bei einer Bergungsaktion eine Robbe im Geisternetz entdeckt. Wenngleich das Bergen dieser todbringenden Altlasten aus der Fischerei alternativlos ist, um Robben, Schweinswale und andere Meeresbewohner nachhaltig zu schützen, so muss es aufgrund der Vielzahl der aktuellen Totfunde eine andere Ursache geben. Im Fokus stehen hierbei insbesondere Reusen, auch die Möglichkeit einer gezielten Köderung der Robben wird in Erwägung gezogen.

Es ist dringend erforderlich, diese Verdachtsmomente durch intensivere Kontrollen gründlich zu überprüfen – die Identifizierung der Ursache muss höchste Priorität haben. Nicht nur um ein robbensicheres Umfeld zu schaffen, sondern auch um eine Situation wie vor sieben Jahren auszuschließen: 2017 gab es ebenfalls ein Robbensterben, zwei Dutzend Tiere starben. Die Ursache blieb ungeklärt. Unser erfahrener Netzberger Robert Röske (Dive Baltic Sea Rügen) äußert die Sorge, dass sich dieses Szenario jetzt wiederholen könnte, da derzeit verschiedene Faktoren vermischt werden und die wahren Verursacher im Dunkeln bleiben.

Restlose Aufklärung muss oberste Priorität haben – Petition gestartet:

Die Politik steht in der Verantwortung! Insbesondere da die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie die Kegelrobbe als europäische Prioritätsart unter besonderen Schutz stellt. Es ist von höchster Dringlichkeit, dass die Behörden die Todesursache der mindestens 40 verendeten Tiere vollständig aufklären. Nur so kann weiterer Schaden an der Population vor Rügen verhindert und deren Erhalt gesichert werden.

Nach Angaben der Wasserschutzpolizei werden die Ermittlungen gemeinsam mit der Staatsanwaltschaft Stralsund fortgesetzt. Zuvor hatten das Deutsche Meeresmuseum in Stralsund und das Biosphärenreservat Südost-Rügen Strafanzeige gegen Unbekannt gestellt.

Mittlerweile hat der BUND Mecklenburg-Vorpommern eine Online-Petition ins Leben gerufen, die an die Landesregierung adressiert ist. Ministerpräsidentin Schwesig und Minister Dr. Backhaus werden darin aufgefordert, die Ermittlungen mit aller Konsequenz und Intensität durchzuführen, Spurensicherungen und DNA-Analysen an Fischereigeräten, Booten und sonstigen Objekten vorzunehmen, die in der Nähe des Fundortes der toten Robben zum Einsatz kamen und effektivere Fischereikontrollen durchzuführen. 
Hier kannst Du die Online-Petition unterschreiben.

 

Helft mit!

 

l

Weitere Artikel

Sichtungen und Totfunde 2024: Deutlicher Rückgang von tot aufgefunden Adria-Delfinen

Im Jahr 2021 verzeichnete die Tiermedizinische Fakultät Zagreb noch 28 verstorbene Delfine an der kroatischen Küste – im vergangenen Jahr waren es weniger als die Hälfte. Zwar ist nicht auszuschließen, dass einige Kadaver unentdeckt blieben, dennoch weckt der rückläufige Trend Hoffnungen auf eine stabile Populations-Entwicklung der letzten rund 220 Adria-Delfine.

weiterlesen

Die blutige Jagdsaison in Taiji endet vorerst – das Millionengeschäft geht weiter

Sechs Monate lang wurden hunderte Delfine brutal gejagt, getötet oder sie werden künftig für die Delfinarienindustrie versklavt. Besonders begehrt: Große Tümmler, die für bis zu 130.000 Dollar pro Tier verkauft werden. Während die Fischer nur einen Bruchteil verdienen, profitieren vor allem die Delfinhändler, die über die Jahre mit Delfinen zig Millionen Dollar umsetzen.

weiterlesen

Die Artenvielfalt an Deutschlands Küsten ist bedroht

Wie schlecht es um die weltweite Biodiversität bestellt ist, hat der Biodiversitätsrat schon 2019 deutlich gemacht: Von den geschätzten acht Millionen Arten auf unserer Erde seien eine Millionen bedroht. Die Ursachen sind vielfältig, können aber im Kern wie folgt zusammengefasst werden: übermäßige Nutzung der natürlichen Ressourcen einhergehend mit der Zerstörung und Verschmutzung von Lebensräumen, Auswirkungen des Klimawandels sowie eine zunehmende Entfremdung der Menschen von der Natur. Grund genug, anlässlich des internationalen Tages des Artenschutzes zu Beginn dieser Woche (3. März) den Fokus auf die deutschen Küsten zu richten.

weiterlesen

Spendenkonto

Gesellschaft zur Rettung der Delphine
SozialBank AG
IBAN:
DE09 3702 0500 0009 8348 00
BIC:
BFSWDE33XXX

Ihre Spenden, Patenschafts- und Förderbeiträge sind steuerlich absetzbar.

Ihre Hilfe kommt an

Die GRD ist als gemeinnützig und
besonders förderungswürdig anerkannt.

Zum Newsletter anmelden

Bitte tragen Sie Ihre E-Mail-Adresse ein.

Vielen Dank für Ihr Abonnement!