Die Artenvielfalt an Deutschlands Küsten ist bedroht

Zu viel Nutzung – zu wenig Schutz
Wie schlecht es um die weltweite Biodiversität bestellt ist, hat der Biodiversitätsrat schon 2019 deutlich gemacht: Von den geschätzten acht Millionen Arten auf unserer Erde seien eine Millionen bedroht. Die Ursachen sind vielfältig, können aber im Kern wie folgt zusammengefasst werden: übermäßige Nutzung der natürlichen Ressourcen einhergehend mit der Zerstörung und Verschmutzung von Lebensräumen, Auswirkungen des Klimawandels sowie eine zunehmende Entfremdung der Menschen von der Natur. Grund genug, anlässlich des internationalen Tages des Artenschutzes zu Beginn dieser Woche (3. März) den Fokus auf die deutschen Küsten zu richten.
Die Kehrtwende bei der Biodiversität ist bislang nicht erreicht
Die negative Entwicklung der Biodiversität konnte in Deutschland bislang nicht gestoppt werden. Die umfangreiche Studie “Faktencheck Artenvielfalt” stellt für die Bundesrepublik fest: Mehr als die Hälfte der Lebensräume befinden sich in keinem guten Zustand – gleiches gilt für ca. ein Drittel der untersuchten Arten. Als Hauptursachen für die ausbleibende Erholung der Artenvielfalt gelten die zu hohe landwirtschaftliche Nutzung vieler Flächen, ein zu hohes Maß an Verschmutzung und Nährstoffeinträgen, invasive Arten sowie die Auswirkungen des Klimawandels. Die Entwicklungstrends sind überwiegend negativ – die Lebensräume an Nord- und Ostsee bilden hier keine Ausnahme.

Quelle: Grafik entnommen aus Studie Faktencheck Artenvielfalt
Mit dem immensen Druck auf Deutschlands Meere setzt sich die GRD immer wieder kritisch auseinander. So haben wir jüngst zusammen mit sieben weiteren Naturschutzverbänden in einem Positionspapier, das an den Umweltminister von Schleswig-Holstein übergeben wurde, auf die starke Gefährdung des Schweinswals in der Nordsee aufmerksam gemacht. Die Folgen von zu hoher Nutzung und zu wenigen Erholungsräumen für die Natur zeigen sich auch im „Rote Liste Status“ der Biotop-Typen von Deutschlands Küsten und Küstengewässern.
Fünf Fakten, die das Gefährdungspotential verdeutlichen:
- 50 bis 75 Prozent der Flächenanteile sind gefährdet
- 12 Biotop-Typen in der Nordsee sind vollständig vernichtet
- 19,3 Prozent der Fische gelten als gefährdet oder bereits ausgestorben
- Alle Meeressäuger (Schweinswale, Seehunde, Kegelrobben) haben den Status „gefährdet“
- Von den wirbellosen Tieren (z.B. Garnelen, Krebse, Muscheln) sind 15,6 Prozent gefährdet oder bereits ausgestorben
Auch wenn es erfreulicherweise positive Entwicklungen gibt wie bei den Vögeln im Lebensraum Küste, so ist die Gesamtsituation doch prekär. In Summe gibt es deutlich mehr negative als positive Trends bei der Entwicklung der Biodiversität – mit Konsequenzen, die mit fortschreitendem Verlust der Artenvielfalt auch für uns Menschen erhebliche Folgen haben werden.

Quelle: Grafik entnommen aus Studie Faktencheck Artenvielfalt
Denn: Intakte und artenreiche Ökosysteme sind die Voraussetzung dafür, dass die Natur bestimmte Leistungen für den Mensch bereitstellen kann. Die Studie „Faktencheck Artenvielfalt“ zeigt auf, dass ein Rückgang bestimmter Arten direkt mit der Verminderung bestimmter Ökosystemleistungen wie Hochwasserschutz, Klimaregulation oder Küstenstabilisierung verbunden ist. Als Beispiel sind Salzwiesen zu nennen, die tonnenweise Kohlenstoff speichern können und damit aktiv dazu beitragen, die Folgen des Klimawandels abzumildern. Weiterhin filtern sie Schadstoffe aus dem Wasser und tragen zum Küstenschutz bei.
So ist die Lage an Nord- und Ostsee
Die der Studie entnommene Abbildung verdeutlicht, wie sehr wir auf intakte Ökosysteme in Nord- und Ostsee angewiesen sind. Deutschland muss seinen politischen Verpflichtungen jetzt nachkommen. Dazu ist es unbedingt erforderlich, dass die im Dezember 2024 vom Kabinett verabschiedete Nationale Strategie zur Biologischen Vielfalt von der künftigen Regierung in Angriff genommen wird. In dieser sind neben 64 Zielen auch 250 konkrete Maßnahmen aufgeführt, welche bis 2027 umgesetzt werden müssen, damit die EU-Biodiversitätsziele bis 2030 erreicht werden können. Trotz aller politischen Krisen dürfen wir nicht vergessen, dass wir auf Artenvielfalt und gesunde Ökosysteme angewiesen sind um unsere Existenzgrundlagen zu sichern.
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Fotocredits, oben: GRD, Flickr, Avi-fauna, Wiki Commons
Quellen: Faktencheck Artenvielfalt. Bestandsaufnahme und Perspektiven für den Erhalt der biologischen Vielfalt in Deutschland. Zusammenfassung für die gesellschaftliche Entscheidungsfindung.
Christian Wirth, Helge Bruelheide, Nina Farwig, Jori Maylin Marx, Josef Settele (Hrsg.), oekom-Verlag, 2024. DOI: https://doi.org/10.14512/9783987263378
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