Zehn Jahre Delfinlagune Nürnberg – ein trauriger Jahrestag

von | 3. August 2021 | News - Delfinarien

Von einst zehn Delfinarien in Deutschland sind noch zwei aktiv

Die Delfinarien in Nürnberg und Duisburg sind das traurige Überbleibsel eines Geschäftsmodells, das auf Kosten der Gesundheit intelligenter Meeressäuger aufgebaut wurde. Dass der Nürnberger Tierpark die Zeichen der Zeit nicht erkennt und stattdessen im Rahmen des Jahrestags zum zehnjährigen Bestehen der Delfinlagune die Wiederaufnahme der Zucht bekanntgegeben hat, sorgt für Empörung bei den Tierschützern der GRD.

Ob Europapark Rust, Allwetterzoo Münster oder Heidepark Soltau: Hier – wie auch in anderen deutschen Erlebnisparks oder Zoos – hat man schon vor Jahren einen Schlussstrich gezogen und die hauseigene Delfinarien geschlossen. Die Gründe liegen auf der Hand: Weder können in Gefangenschaft lebenden Delfinen ausreichend dimensionierte Becken oder artgerechte “Lebensqualität” bei Fütterung mit totem Fisch geboten werden, noch haben sie die Möglichkeit ihr elementar wichtiges Sozialgefüge auszuleben. Auch setzen aggressive chemische Desinfektionsmittel bzw. Chlor der Delfinhaut zu, bei Rangordnungsauseinandersetzungen gibt es keine Möglichkeit zur Flucht und ob es den Tieren wirklich Spaß bereitet, den Trainern als lebendiges Surfbrett zu dienen, kann stark infrage gestellt werden.

Baumängel begleiten die Nürnberger Delfinlagune

In Zeiten der Fridays for Future-Bewegung wirken Delfinarien in Deutschland wie aus der Zeit gefallen. Dennoch halten die Tierparks in Duisburg und Nürnberg an ihrem Angebot fest. In Franken wurde vor exakt zehn Jahren – kurz bevor in Münster das drittletzte Delfinarium seine Tore geschlossen hat – die sogenannte „Delfinlagune“ eröffnet.

Die Anlage stand von Beginn an unter keinem guten Stern, denn beim Bau wurde seinerzeit alles andere als Sorgfältig gearbeitet. Von Beginn an waren Fugen am Beckenrand undicht, sodass Salzwasser austreten konnte und ein geschütztes Biotop kontaminiert wurde. Jahrelange Rechtsstreitigkeiten waren die Folge, zudem protestierten Tierschützer regelmäßig für die Schließung der Einrichtung. Doch weit gefehlt: Sowohl die anstehende Sanierung bei laufendem Betrieb als auch die Planung des Nürnberger Tiergartendirektors, die Delfinzucht wiederaufnehmen zu wollen, zeigt, dass das fränkische Delfinarium noch längst nicht ausgedient hat.

Dabei gibt es gute Gründe, wie folgende Fakten zeigen:

1. Beengte Haltung

Dass einige Delfinarten in Freiheit bis zu 100 Kilometer schwimmen, ist hinlänglich bekannt. Auch dass sie hierbei Spitzengeschwindigkeiten von über 40 Stundenkilometern erreichen. In der Nürnberger Delfinlagune sind derartige Szenarien reines Wunschdenken, schließlich misst das größte Becken gerade einmal 1.798 Kubikmeter; die maximale Wassertiefe wird mit sieben Metern angegeben. Diese Haltung kann weder tier- noch artgerecht sein.

2. Erfolglose Zucht

Aufgrund der Sanierungsarbeiten ist die Zucht von Delfinen derzeit ausgesetzt. Medieninformationen zufolge will der Tierpark anschließend – in ca. drei Jahren – eigenen Nachwuchs forcieren und einen Delfin-Bullen zu den sechs Weibchen ins Becken setzen. In der Vergangenheit war die Nachzucht nicht erfolgreich: Fast alle Baby-Delfine starben kurz nach der Geburt.

3. Artenschutz wird vorgeschoben

Betreiber von Delfinarien bedienen sich argumentativ gerne beim Thema Artenschutz, um ihre Daseinsberechtigung zu untermauern. Die Meeressäuger seien bedroht, die Welt verliere eine Tierart nach der anderen und Delfinarien würden benötigt, um die Forschung voranzutreiben. In Teilen sind diese Thesen nicht falsch – Fakt ist aber, dass in der Nürnberger Delfinlagune heute sechs Große Tümmler leben, die nicht zu den gefährdeten Arten zählen. Generell lässt sich festhalten, dass die überwiegende Mehrheit der gezüchteten und gefangenen Meeressäuger weder bedroht, noch vom Aussterben gefährdet ist.

4. Ohne Showeinlagen geht es nicht

Der Trainer gibt einen Befehl, die Delfine machen Kunststücke, das Publikum applaudiert, die Delfine bekommen eine Belohnung. Nach diesem immer gleichen Ritual laufen weltweit die Shows in Delfinarien ab. Dass dabei nur selten natürliche Verhaltensweisen der Meeressäuger abgefragt werden, wird dem Publikum nicht vermittelt. Vielmehr stehen Kunststücke und Tricks im Vordergrund, die den Delfinen von Menschen beigebracht wurden. Menschen sind es auch, die diese Delfinshows und dementsprechend auch Delfinarien erst ermöglichen: Ohne zahlendes Publikum müssten diese Anlagen schnell ihre Tore schließen.

5. Delfine werden mit Medikamenten ruhiggestellt

Der Tatsache geschuldet, dass die Gefangenschaft viele Delfine körperlich und seelisch in Mitleidenschaft zieht, werden die Tiere oftmals mit Medikamenten ruhiggestellt. Medikamentengaben erfolgen auch dann, wenn Delfine durch die Zwangsvergesellschaftung Aggressionen gegenüber ihren Artgenossen zeigen. Dieses sogenannte „Social Calming“ wird von Tierschützern stark angeprangert, da es wider der Natur der Meeressäuger ist. Im Meer würden sich die Delfine schlichtweg aus dem Weg gehen und andere Artgenossen suchen.

Kommentar von Verena Platt-Till, Diplom-Biologin der GRD

„Delfine sind hoch entwickelte soziale Tiere, die in Gefangenschaft nicht artgerecht gehalten werden können, denn die grundlegenden, natürlichen Verhaltensansprüche der Tiere kann die Gefangenschafts-Situation nicht erfüllen. Die Meeressäuger zeigen in Gefangenschaft nicht ihr normales Verhaltensrepertoire. 

Gerade die häufig in Gefangenschaft lebende Art des Großen Tümmlers (Tursiops truncatus) lebt in sogenannten Fission-Fusion-Gesellschaften. Die sind dadurch gekennzeichnet, dass die Mitglieder einer Gruppe ständig wechseln (können). Lediglich Mutter-Kind-Gemeinschaften bleiben über mehrere Jahre konstant zusammen. In freier Wildbahn treffen sich Gruppen in ständig wechselnder Zusammensetzung und Größe, neben selten vorkommenden Solitärdelfinen. Diese neben anderen Lebensansprüchen lassen sich nicht annähernd in Gefangenschaft simulieren.

Dass Nürnberg erneut mit der Zucht von Delfinen beginnen möchte, ist absolut nicht vertretbar. Die vielen Todesraten der jungen Baby-Delfine, also die nicht nachhaltigen Zuchtversuche der beiden letzten Delfinarien Deutschlands in der Vergangenheit, sind ein eindeutiges Indiz, dass die Tiere unter Bedingungen leben, die nicht ihren Erhaltungsbedürfnissen entsprechen. 

Die GRD lehnt die Gefangenschaftshaltung von Delfinen und deren Zucht entschieden ab!”

Foto: Pixabay / Blende12

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