Alarmierende Zahlen: Die weltweite Jagd auf Delfine nimmt weiter zu
Pro Jahr werden mehr als 100.000 Kleinwale getötet
Ob als Köder in der kommerziellen Fischerei, ob als „Heilmittel“ gegen COVID-19-Infektionen, ob als Maßnahme, um angesichts schwindender Fischbestände mutmaßliche „Konkurrenten“ zu dezimieren oder als gänzlich neue Nahrungsquelle: Die erschreckenden Ergebnisse einer aktuellen Studie von Pro Wildlife und Whale & Dolphin Conservation (WDC) zeigen einen besorgniserregenden Anstieg in der weltweiten Jagd auf Delfine. Schätzungsweise 100.000 Tiere werden jährlich getötet. Dies führte bereits dazu, dass einige Delfin-Populationen an den Rand des Aussterbens gedrängt wurden.
Die Jagd und der Verzehr von Delfinen
Der Atlantische Buckeldelfin steht auf der Roten Liste der bedrohten Arten. Schutzmaßnahmen sind dringend erforderlich, um das Worst-Case-Szenario der Ausrottung zu verhindern. Traurige Realität ist jedoch, dass die Jagd auf diese und viele weitere Arten entlang der Küste Westafrikas in den letzten Jahren intensiviert wurde. Andererseits dienen Meeressäuger in Ländern wie Benin, Ghana oder dem Senegal als Nahrungsquelle oder aber als Köder zum Fischen.
Getötete Clymene-Delfine in Ghana. (Foto: Pro Wildlife)
Die Nutzung von Delfinfleisch zum Verzehr ist jedoch nicht auf die afrikanische Region beschränkt. Sie nimmt auch in Asien aufgrund der steigenden Bevölkerungszahlen und gleichzeitig sinkender Erträge aus der traditionellen Fischerei aufgrund von Bestandsrückgängen zu. Ein alarmierendes Beispiel, welches das Dolphin Project im vergangenen Jahr aufzeigte: In den indonesischen Dörfern Lamalera und Lamakera ist es als Reaktion auf den Rückgang der Fischbestände zur gängigen Praxis geworden, in zunehmenden Maße Cetaceen zu verzehren. Dieser Trend nimmt in erschreckendem Tempo zu.
Delfin-Öl zur „Heilung“ von Corona-Infektionen
Seiner Ausrottung entgegen sieht auch der Boto – jener rosafarbene Flussdelfin aus dem Amazonasgebiet, der im Herbst 2023 aufgrund der großen Dürre zu Hunderten starb und daher weltweit in den Schlagzeilen stand. Viel größer ist allerdings die Gefahr durch die tausendfache jährliche Abschlachtung. Während das Fleisch als Köder für die Piratenfischerei verwendet wird, dient das Öl der seltenen Flussdelfine dazu, Corona-Infektionen zu behandeln (Hintergrund: Um den Boto ranken sich seit Jahrzehnten zahlreiche Mythen. So werden Öle aus Boto-Genitalien auch als Aphrodisiaka und Parfüms verkauft). Wird diesem Treiben nicht Einhalt geboten, besteht die große Gefahr des vollständigen Boto-Aussterbens in den kommenden Jahrzehnten.
Geschlachteter Boto-Delfin im Amazonasgebiet. (Foto: Pro Wildlife / Veronica Iriarte)
Delfine als Köder – Delfinschutz in Pisco zahlt sich aus
Als Köder setzen auch peruanische Fischer:innen nach wie vor Delfinfleisch ein, was jährlich zum Tod von geschätzten 15.000 Tieren führt. Wie dieser barbarischen Praxis ein Ende bereitet werden kann, zeigt das Beispiel aus der Region um Pisco und Paracas: Seit 1999 kämpft die GRD gemeinsam mit ihrer peruanischen Partnerorganisation ACOREMA – erfolgreich. Durch langjährige Aufklärungs- und Informationsarbeit wird hier keine Delfinjagd mehr betrieben. Stattdessen unterstützen die lokalen Fischer:innen die Arbeit unserer Projektpartner:innen durch kontinuierliche Sichtungsmeldungen.
Erfolgreiche Ergebnisse für den Delfinschutz durch ACOREMA: Die Aufklärungsarbeit beginnt in den Grundschulen (Foto: ACOREMA)
Initiativen dieser Art sind in vielen weiteren Regionen dringend erforderlich. In Ghana sterben beispielsweise jährlich rund 10.000 Delfine durch die Fischerei, um Haie oder Welse anzulocken. Gleichzeitig muss aber auch daran gearbeitet werden, die aufkommende Gefahr durch Fernfischerei-Flotten zu bekämpfen. Diese Langstrecken-Trawler, unter anderem in Taiwan und Südkorea beheimatet, betreiben groß angelegte Delfinjagden, um deren Fleisch als Köder zu verwenden. Die Studie bezeichnet dieses Vorgehen „als eine neue Dimension“.
Teufelskreis mit einem Verlierer: dem Delfin
Die Zunahme der weltweiten Delfinjagd und -tötung steht in direktem Zusammenhang mit der Überfischung der Meere. Fischer:innen wollen auf diese Weise nicht nur vermeintliche „Konkurrenten” um die raren Fischbestände dezimieren, sie nutzen das Delfinfleisch auch als Köder, um die eigenen Beutezüge erfolgreicher zu gestalten. Dass die Meeressäuger angesichts des überfischten Zustands der Meere und gleichzeitig steigender Bevölkerungszahlen in zunehmenden Maßen als Nahrung verwendet werden, muss größten Anlass zur Sorge geben.
Nicht nur angesichts der hohen Todesraten, sondern auch aufgrund der mit dem Verzehr des Fleisches verbundenen Gefahren für die Gesundheit: Delfinfleisch ist hochgradig mit Quecksilber belastet. So haben japanische Forscher:innen dokumentiert, dass Delfinfleisch aus Taiji bis zu 2.000 µg Quecksilber enthält und damit den japanischen Grenzwert von 0,4 µg um das bis zu 5.000-fache überschreitet.
Jagd auf Grindwale und Weißseitendelfine auf den Färöer-Inseln (Foto: Sea Shepherd)
Forderungen
Die vorliegende Studie „Small Cetaceans – Even Bigger Problems” verdeutlicht nicht nur die weltweite Gefahrensituation für Kleinwale, sondern zeigt unmissverständlich auf, dass zahlreiche Arten mehr denn je vom Aussterben bedroht sind. Daher ist es dringend erforderlich, dass Küstenstaaten ihre nationalen Rechtsvorschriften deutlich besser durchsetzen und gleichzeitig Maßnahmen ergreifen, um die illegale Jagd zu beenden.
Die GRD setzt sich seit 1991 schwerpunktmäßig für den Schutz wild lebender Delfine und ihrer Lebensräume ein. Dass diese Aufgabe keinesfalls an Relevanz verloren, sondern immer bedeutsamer wird, zeigen die vorliegenden Studienergebnisse. Zusammen mit unseren Projektpartner:innen setzen wir uns in acht internationalen Schutzprojekten mit Aktionen und Kampagnen für bedrohte Delfine und Wale ein und sorgen dafür, dass die Meeressäuger eine Stimme bekommen. Mit Deiner Spende kannst Du uns auf diesem Weg unterstützen.
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