Delfin-Studie: Hautpflege mit Korallen

von | 2. Juni 2022 | News - Rotes Meer

Delfine aus dem Roten Meer haben möglicherweise einen Weg gefunden, sich selbst zu heilen.

Eine aktuelle Studie aus dem Roten Meer bringt neue Erkenntnisse hinsichtlich einer möglichen Selbstmedikation bei Delfinen: Indem sich die Meeressäuger an antibakteriellen Korallen und Schwämmen reiben, gelingt es ihnen offenbar, Hautinfektionen abzuwehren. Maßgeblich beteiligt ist an der Studie Biologin Angela Ziltener (Universität Zürich / Dolphin Watch Alliance) und ihr Team, die dieses spezielle Verhalten der Delfine beobachteten.

Nicht nur Menschen, sondern auch Tiere sind in der Lage, sich selbst zu heilen. Menschenaffen beispielsweise schlucken unzerkaut die rauen, stachelig-pelzigen Blätter einer speziellen Aspelien-Art, um ihren Darm von Parasiten zu reinigen. Monarchfalter legen ihre Eier bevorzugt auf eigentlich giftigen Pflanzen ab, um Parasiten und damit die Krankheiten ihrer Nachkommen einzudämmen. Auch über andere Lebewesen aus der Tierwelt liegen Studien hinsichtlich einer Selbstmedikation vor, von Meerestieren fehlte allerdings eine entsprechende Arbeit bis dato.

Diese lieferte im Mai dieses Jahres Biologin Angela Ziltener – unsere Kooperationspartnerin von Dolphin Watch Alliance (DWA) in Ägypten – zusammen mit einem wissenschaftlichen Team von den Universitäten Gießen und Stuttgart*: Nach mehrjähriger Forschungsarbeit konnten sie belegen, dass Indopazifische Große Tümmler Hautprobleme mit speziellen Korallen und Schwämmen behandeln. Letztere weisen biofunktionelle Eigenschaften auf und wehren möglicherweise Krankheitserreger ab, die bei den Delfinen Hautkrankheiten verursachen.

Im Video: Indopazifische Grosse Tümmler reiben sich vom Schnabel bis zur Schwanzflosse an Korallen – und stehen dafür sogar Schlange.

Delfine wissen genau, an welchen Korallen sie sich reiben müssen

Dass erstmals Erkenntnisse der Selbstmedikation bei Meerestieren vorliegen, ist der Tatsache zu verdanken, dass Angela Ziltener und ihr Team bereits seit 2009 im Roten Meer inmitten einer Population von 360 Indopazifischen Großen Tümmlern tauchen, deren Vertrauen nach und nach gewinnen und ihr Verhalten somit aus nächster Nähe beobachten konnten. Ihnen fiel auf, dass die Delfine sich nur an ausgesuchten Korallen reiben – und sie wollten verstehen, warum das so ist. „Ich hatte dieses Verhalten noch nie zuvor gesehen. Es war klar, dass die Delfine genau wussten, welche Koralle sie benutzen wollten“, erklärt Angela Ziltener. 

In der Tat war das Verhalten der Meeressäuger alles andere als zufällig: Die Delfine rieben ihre Köpfe an manchen Korallen, kratzten sich an anderen und mieden manche Arten sogar ganz. Zudem konnte das DWA-Team beobachten, dass ausgewachsene Delfine quasi Schlange standen, um sich zu reiben, während die jüngeren Mitglieder der Gruppe aufmerksam zusahen und erst langsam begannen, die Aktivitäten der älteren Tiere zu imitieren.

Eine Delfinmutter lehrt ihrem Jungen, sich an den medizinischen Korallen zu reiben. 

Bioaktive Substanzen der Korallen und Schwämme könnten Infektionen behandeln

Was aber bewirkt dieses Verhalten? Durch das wiederholte Reiben lösen sich Schleimschichten von den Korallen und Schwämmen, die das Wasser anschließend trüben und die Haut der Delfine gelblich oder grünlich färben. Chemikerin und Lebensmittelwissenschaftlerin Gertrud Morlock von der Justus-Liebig-Universität Gießen, die als Co-Erstautorin der Studie fungierte, analysierte entsprechende Proben der Korallen und Schwämme und fand dabei 17 aktive Metaboliten mit antibakteriellen, antioxidativen, hormonellen und toxischen Aktivitäten. Die Forschenden nehmen an, dass die bioaktiven Substanzen der Korallen und Schwämme dazu dienen, das Mikrobiom der Delfinhaut zu regulieren und Infektionen zu behandeln.

Angela Ziltener nimmt Proben von Korallen im Roten Meer.

Studie hilft, das Zusammenspiel zwischen den Arten besser zu verstehen

„Ob es den Delfinen wirklich bewusst ist, dass sie durch das Reiben an den Korallen eine Selbstheilung vollziehen, ist eine Frage, die noch nicht beantwortet werden kann“, erklärt Angela Ziltener. „Aber: Höchstwahrscheinlich tut es ihnen einfach sehr gut. Und wenn etwas guttut, dann wird diese Erfahrung weitergegeben.“ Nach Aussage der Biologin von der Universität Zürich werden weitere Forschungen auf diesem Gebiet dafür sorgen, das Zusammenspiel zwischen den Arten besser zu verstehen. Auf diese Weise wird auch die Arbeit für den Delfinschutz optimiert werden können. 

Ein möglicher positiver Ansatz für die Humanmedizin auf Basis der Studienergebnisse wäre nicht auszuschließen. Das Team betont in diesem Kontext aber mit Nachdruck, dass die Wirkstoffe der marinen Organismen weiterhin vorrangig den Delfinen helfen sollten. „Let’s keep it to the Dolphins!“ 

  • Autoren der Studie „Evidence that Indo-Pacific bottlenose dolphins self-medicate with invertebrates in coral reefs“: Gertrud E. Morlock, Angela Ziltener, Sascha Geyer, Jennifer Tersteegen, Annabel Mehl, Tamara Schreiner, Tamer Kamel, Franz Brümmer der Universitäten Zürich, Gießen und Stuttgart.  Die gesamte Studie ist auf iScience zu finden.


Fotos: Angela Ziltener / DWA

 

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Ferdinand-Destiny

Ferdinand-Destiny überlebte einen Haiangriff. Schwer verwundet suchte sie Schutz bei Tauchern. Als die Wunden heilten, kehrte sie zu ihrer Gruppe zurück, ihr Interesse an Menschen blieb.

Fee

Fee ist die jüngste Tochter von Ferdinand-Destiny. Sie wurde im Juni 2016 geboren.

Magic

Magic wurde im Juli 2013 geboren. Als sie ein paar Monate alt war, verhedderte sie sich in einer Angelschnur, die ihr tief ins Fleisch schnitt. Eines Tages war die tödliche Gefahr wie durch ein Wunder verschwunden.

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