Der mit dem Delfin tanzt – Die Geschichte von Dean und JoJo

von | 13. Dezember 2012 | News - Delfine

Die Geschichte von Dean und JoJo

Im Mai 2012 stellte der Amerikaner Dean Bernal im Münchner Sealife sein jetzt erschienenes Buch “JoJo und ich” vor, die Geschichte einer tiefen und außergewöhnlichen Freundschaft zwischen ihm und einem Großen Tümmler. In einem persönlichen Gespräch mit der GRD erzählt er mehr über diese wundersame Beziehung und seine Vision.

Das ist Hollywood

Fünfzig bis sechzig Angebote zur Verfilmung „seiner“ Geschichte von ihm und JoJo habe er schon aus Hollywood erhalten. Aber Herz zeigt die Traumfabrik nur im Film. Bernals Bedingung, dass ein Teil der Einnahmen an gemeinnützige Natur- oder Tierschutzorganisationen fließt, hat sie bislang abgelehnt. „Das ist Hollywood“, erklärt Dean ohne jeden Missmut. Er strahlt die Ruhe eines Buddhas aus, ist völlig uneitel und bescheiden, auch wenn er äußerlich wie ein typischer „Sonnyboy“ wirkt, sonnengebräunt und ein stetes Lächeln mit strahlend weißen Zähnen.

Kein Wunder, Dean Bernal ist Kalifornier – aufgewachsen am Meer. Surfen, Schwimmen, Tauchen bestimmten seit jeher sein Leben. Allerdings hat er die meiste Zeit nicht dort, sondern auf den Turks und Caicos verbracht, einer Inselgruppe, die gewöhnlich zur Karibik gezählt wird, genau genommen aber im Atlantik liegt. Und dort hatte er vor knapp 30 Jahren eine schicksalshafte Begegnung, die sein Leben nachhaltig verändern sollte und ihm seine Bestimmung gab.

Anfang der 80er-Jahre verschlug es den Zwanzigjährigen als Tauchlehrer in das britische Überseegebiet, das damals noch als Geheimtipp unter Touristen galt. Gleich zu Beginn begegnete er beim Schwimmen drei jungen Delfinen. Einen von ihnen sollte er im Laufe der Zeit näher kennenlernen, denn JoJo, wie er den Großen Tümmler taufte, hat ihn zum Freund erkoren. „Damals haben wir viel spielerisch gekämpft, wie Kinder eben oder kleine Delfine“, erinnert sich Dean, dessen von einer Moräne stammende, kaum wahrnehmbare Narbe auf der linken Wange auch von „Kämpfen“ mit anderen Meerestieren zeugt.

Der Problemdelfin

Auf den Turks- und Caicosinseln war das Tümmlermännchen als „aggressiv“ verschrien, als „Delfin-Raubein“, das „arglose Schwimmer anfiele“ und auch beißen würde. Dean fand jedoch heraus, dass JoJo sich lediglich gegen aufdringliche Besucher wehrte und dass die Bucht vormals eine Art Stammgebiet für ihn und etwa 15-20 Artgenossen war – bevor die ersten Ferien- und Wasserskianlagen entstanden und die Großen Tümmler vertrieben.

Nur JoJo kehrte immer wieder zurück. Vielleicht weil er bei einem Hurrikan von seiner Mutter getrennt wurde, ebenso wie zwei weitere Jungdelfine, denen jedoch kein langes Leben beschieden war: Der eine starb an den Folgen eines Zusammenstoßes mit einem Boot, der andere war von Einheimischen mit einem Fischspeer getötet worden.

„Warum JoJo mir Gelegenheit gab, seinen Lebensweg zu teilen, weiß ich bis heute nicht, erzählt der studierte Zoologe in seinem Buch. Es ist eine einzigartige Freundschaft zwischen einem Menschen und einem Delfin. Dean glaubt, dass es sich dabei um eine für Große Tümmler typische „Männerfreundschaft“ handelt, wie sie sich gewöhnlich unter Jungtieren entwickelt und die ein Leben lang andauern kann.

Als exzellentem Schwimmer und Freitaucher ist es Dean möglich, viele Stunden mit seinem tierischen Freund in dessen Welt verbringen. Gemeinsam ziehen sie durchs Wasser, bestehen „Abenteuer“ und lernen, miteinander zu kommunizieren. Per Zeichensprache teilt Dean JoJo mit, dass die „Spielstunde“ zu Ende ist, dass er ihm etwas bringen oder nach Haien Ausschau halten soll. Oder dass der über 300 kg schwere Delfin Verarztungen über sich ergehen lassen muss, wenn er mal wieder von einem Hai gebissen oder von einer Bootsschraube verletzt worden war. Wie Dean einem frei lebenden Großen Tümmler dies alles beigebracht habe? Er wehrt sich gegen Bezeichnungen wie „trainieren“ oder „dressieren“.

„Ich habe ihn beobachtet, er hat mich beobachtet, es ist eine Art Kommunikation“, erklärt er, vergleichbar mit der Art und Weise, wie die Indianer Wildpferde gezähmt hätten. Dies sei ein Zusammenspiel aus Beobachtung und Kommunikation gewesen. Überhaupt scheint sich Dean viel mit der Urbevölkerung Nordamerikas befasst zu haben. So stammt der Name „JoJo“ von den Lakotas und bezeichnet die Verständigung mittels Pfeiftönen – auch Delfine verständigen und erkennen sich anhand von Pfiffen.

Vertreibung aus dem Paradies

Rasch verbreitete sich die Geschichte dieser ungewöhnlichen Freundschaft. Immer häufiger kamen Menschen, die den knapp 2,50 m großen Meeressäuger ebenfalls hautnah erleben wollten. Und so begann für Dean ein zäher Kampf gegen die kommerziellen Interessen von Regierungsmitgliedern, Reiseveranstaltern oder Hotelbesitzern, die in JoJo eine potenzielle Geldmaschine sahen. Es waren harte Jahre für den Tierschützer, der sich zudem mit einer korrupten Regierung auseinandersetzen musste, die auch vor Morddrohungen nicht zurückschreckte und ihn schließlich als unerwünschte Person aus dem Karibikparadies vertrieb.

Aber Dean entschied den Kampf für JoJo und sich: Er hatte erreicht, dass in einem Großteil von JoJos Lebensraum Jetskis und Fischerei verboten und Nationalparks eingerichtet wurden, dass JoJo zum nationalen Kulturgut erhoben und er selbst, in einem persönlichen Schreiben von Prinz Charles, als JoJos „Wärter“ bestimmt wurde. Inzwischen ist eine neue Regierung an der Macht, der Nationalpark hat mehrere Ranger und Dean kann wieder unbehelligt einreisen. Alle ein bis zwei Monate fliegt er von seinem jetzigen Wohnort Hawaii rüber in den anderen Ozean – länger hält er es ohne seinen Delfinfreund nicht aus…

Zerrbilder

Für die Gefangenschaftshaltung der Meeressäuger hat Dean nichts übrig, ihr Leben hat kaum mehr etwas mit dem ihrer wilden Artgenossen gemein. Sie werden als Spaßmacher präsentiert, die den ganzen Tag lang nichts lieber machen, als mit Menschen zu spielen und zu schwimmen. Die fatalen Auswirkungen dieses Zerrbilds konnte der Tauchlehrer oft genug selbst erleben.

So sprangen Touristen trotz Verbot auf JoJo, wenn der sich gerade neben dem Bootssteg am Strand aufhielt. Und wunderten sich dann, wenn er sich mit Bissen oder heftigen Flukenschlägen wehrte. Auch wurde er Zeuge, wie Eltern ihre Kinder am Steg übers Wasser hielten und auf den Delfin fallen ließen, der daraufhin zum Glück nur wegschwamm, denn „Kinder verletzt er nie“, versichert Dean.

Dabei mögen Delfine es nicht, wenn man sie anfasst. „Berührungen zwischen mir und JoJo gehen immer von ihm aus“, betont Dean. Gewöhnlich weichen wilde Delfine „Grapschversuchen“ aus, JoJo beißt sogar. Daher erklärt sich auch einer der vielen Unterschiede im Verhalten zwischen frei lebenden und gefangenen Delfinen. „Freie Delfine kommunizieren mit dir immer über Blickkontakt“, erklärt Dean. Ihre in Ozeanarien lebenden Artgenossen dagegen, zu denen Menschen ins Becken dürfen, behalten ständig deren Hände im Blick.

Kleine Scherze müssen sein

Intelligenten, sozial lebenden Tieren, wie Elefanten, Primaten oder Delfinen, wird auch die Fähigkeit zum Humor nachgesagt. Humor ist ein komplexer gedanklicher Vorgang, bei dem man sich in die Gefühls- und Gedankenwelt des Gegenübers versetzen können muss – die sogenannte „Theory of Mind“.

Und ja, auch der von Dean als Exzentriker eingestufte JoJo hat so einiges auf Lager: Er klaut Tauchern schon mal gern die Kamera aus der Hand, versteckt sie, schaut zu, wenn diese verzweifelt danach suchen und bringt sie irgendwann zurück zu seinem Freund – wenn die Touristen abgereist sind! Auch Dean zu foppen scheint dem intelligenten Meeressäuger tierisches Vergnügen zu bereiten. Zum Beispiel bei der gemeinsamen Suche nach – wie auch JoJo weiß – leeren Muscheln.

Dean steckt die Schalen zur Zwischenlagerung in seine Badehose, bevor er sie an anderer Stelle dem Meeresboden zurückgibt. Wenn JoJo der Schalk im Nacken sitzt, bringt er seinem Freund ein bewohntes Exemplar. „Nichts ahnend stecke ich die Muschel in die Badehose und wenn ich plötzlich wild herumfuchtele, weil sich ein Einsiedlerkrebs bemerkbar macht, dann „lacht“ der Delfin“, erzählt Dean schmunzelnd. Er wolle derartige Verhaltensweisen zwar nicht vermenschlichen, aber dies sei eindeutig ein Lachen mit keckernden Lauten.

Ein einzelgängerisch lebender Großer Tümmler Ende der 1980er-Jahre auf Ios, Griechenland. Aufgrund seines Verhaltens wird vermutet, dass es sich um einen ausgewilderten Delfinariumsdelfin handelte. Es heißt, dass er 1990 von Fischern der Nachbarinsel getötet wurde. Foto: Helmut Westerdorf

Einzelgängerische Delfine

Berichte von Großen Tümmlern, die in einer Bucht oder einem Hafen allein lebend die Nähe von Menschen suchen, sind aus etlichen Ländern bekannt, z.B. Griechenland, Italien, Frankreich, Irland oder Belize.

Doch in diese Kategorie fällt JoJo nicht wirklich. Der inzwischen etwa 34 Jahre alte Delfin hat regelmäßig Kontakt mit seinesgleichen, ist oft unterwegs und fern von seiner angestammten Bucht. Er trägt Schrammen und Kratzer, die von Kampf und Spiel mit Artgenossen zeugen. Und er hat sogar “Familie”. So durfte Dean eine Freundin von JoJo kennenlernen und auch ihr gemeinsames Kind, das Dean auf den Namen “Mojo” taufte.

Deans Vision

Im Französischen werden solche Einzelgänger als „Botschafter-Delfine“ bezeichnet. Genau das sieht auch Dean in JoJo. Denn von ihm können wir viel über die faszinierenden Meeressäuger und über unseren Umgang mit ihnen lernen. JoJo hat Deans Leben verändert. Durch die außergewöhnliche Freundschaft wurden ihm Einblicke in die Welt der Delfine gewährt, die selbst Wissenschaftler verblüfften. Und aus seinem Einsatz für JoJos Wohlergehen erwuchs sein Engagement für Meeressäuger weltweit, was schließlich zur Gründung seiner Stiftung „Marine Wildlife Foundation“ führte.

Ein aktuelles Projekt, das ihm dabei besonders am Herzen liegt, ist die Entwicklung einer technischen Simulation, bei der man nahezu lebensecht im virtuellen Ozean mit Delfinen und anderen Meerestieren schwimmen kann. Sie werde Delfinarien einst überflüssig machen, so Deans Hoffnung.

Bis dahin reist er weiter durch die Welt und zeigt, dass Delfine Lebewesen mit Empfindungen sind, die beispielsweise Ärger, Eifersucht und Freude mit ihren Mitteln ausdrücken können, die unterschiedliche Charaktere besitzen wie Menschen auch und die es verdient haben, dass wir ihnen mit Respekt begegnen und ihren Lebensraum vor menschlichen Eingriffen schützen.

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