Unterwegs mit Finnwalen: „Momente, die in meinem Herzen unvergessen bleiben“
Erlebnisbericht: Eine Woche an Bord des EDMAKTUB-Expeditionsschiffs
Für Tanja Hoffmann ging in diesem Jahr ein Traum in Erfüllung: Als Mitglied eines Forschungsteams unterstützte die Kölnerin das Finnwal-Projekt der gemeinnützigen NGO EDMAKTUB vor der Küste von Barcelona. Und ihre Erwartungen wurden nicht enttäuscht: Nicht nur die Arbeit mit den Forschern bleibt ihr unvergessen, auch die vielen Begegnungen mit den gigantischen Meeressäugern – beispielsweise, wenn diese neben dem Boot gleich mehrmals aus dem Wasser sprangen. Festgehalten hat Tanja Hoffmann ihre Eindrücke in Form von beeindruckenden Bildern und einem ausführlichen Erlebnisbericht.
Feuer und Flamme für die Finnwal-Forschung
Den Ausgangspunkt des einwöchigen Abenteuers von Tanja Hoffmann bildete ein Aufruf auf der Facebook-Seite der GRD zu Jahresbeginn: „Werdet Teil eines Forschungsteams für Finnwale“ hieß es in der Headline, anschließend wurde es konkreter: „Die gemeinnützige NGO EDMAKTUB erforscht die Meeressäuger in einer Langzeitstudie und sucht aktuell VolontärInnen, die das Projekt an Bord eines Expeditionsschiffs unterstützen. Auf diese Weise können von den TeilnehmerInnen erste Erfahrungen in der wissenschaftlichen Arbeit gesammelt werden.“ Als Tanja Hoffmann von diesem „Research Assistant Program“ erfuhr, war sie sofort Feuer und Flamme. Kurzerhand meldete sie sich an und bekam wenig später die Zusage für ein einwöchiges Volontariat vor der katalanischen Küste. (Hinweis: Hier könnt ihr euch als VolontärIn bei der nächsten Expedition bewerben!)
Während ihres einwöchigen Volontariats bei EDMAKTUB hatte Tanja Hoffmann zahlreiche Begegnungen mit Delfinen, Finnwalen und vielen weiteren Meeresbewohnern.
Dass das Team von EDMAKTUB das Verhalten der Finnwale (Balaenoptera Physalus) in einer Langzeitstudie erforscht, ist der Tatsache geschuldet, dass über die bis zu 24 Meter langen Meeressäuger bis dato wenig bekannt ist. Daher setzte sich die gemeinnützige NGO bereits 2013 zum Ziel, das Wissen über die Präsenz der vom Aussterben bedrohten Art vor der katalanischen Küste zu vergrößern und gleichzeitig den Schutz der Meeressäuger zu fördern.
Ins Leben gerufen wurde das „Finnwal-Projekt“ (span.: Proyecto Rorcual) von Eduard Degollada, den Tanja Hoffmann einen Tag nach ihrer Anreise Mitte Mai erstmals auf dem Forschungskatamaran „Maktub“ traf.
Die Aufgabenbereiche, die „Captain Eduard“ und sein Team projektierten, sind ganz unterschiedlicher Natur: Foto-ID zur Identifizierung eines Wales anhand seiner Rückenflosse, Auswirkungen des Schiffsverkehrs (Containerschifffahrt, Fischerei, Tourismus) auf die Meeressäuger, Datenerfassung der Gesamtkonstitution eines Finnwales sowie Datenerfassung der Kleinstlebewesen im Meer wie Plankton, Krill und Quallen. (Lesetipp: Zahlreiche Informationen zu Finnwalen wie Vorkommen, Verhalten, Nahrungsbedarf etc. findet ihr in unserem Delfin- und Wal-Artenführer)
Vom Katamaran Maktub aus finden die wissenschaftlichen Arbeiten statt.
„Bereit für ein außergewöhnliches Abenteuer“
Bei der ersten Mission, die Tanja Hoffmann zusammen mit fünf MeeresbiologInnen und weiteren VolontärInnen an Bord zu absolvieren hatte, galt es, acht Finnwale mit Satellitensendern auszustatten, um zuverlässige Daten über ihre Bewegungen und möglichen Wanderrouten sowie über ihre Lebensräume im Mittelmeer zu erhalten. Die Deutsche erlebte die ersten zwei Tage auf dem Katamaran wie folgt:
Auf Kollisionskurs? Die Auswirkungen des Schiffsverkehrs auf die Population der Finnwale bildet einen von mehreren Schwerpunkten der Forschungsarbeit.
“Jede einzelne meiner Körperzellen war gespannt und bereit für ein außergewöhnliches Abenteuer. Von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang haben wir an vier Beobachtungsstationen Ausschau nach Meeresbewohnern gehalten. Unsere Positionen waren auf beiden Rümpfen des Katamarans am Heck und Bug an Steuer- und Backbord für jeweils 30 Minuten geplant, danach wurde rotiert. Jede Position deckte einen Beobachtungswinkel von 90 Grad ab; alle Sichtungen von Meeresbewohnern wurden weitergegeben und in der Kabine in einen Rechner eingespeist. Dieses spezielle Datenerfassungssystem speichert die Art der gesichteten Meereslebewesen, ihre Anzahl, ihr Verhalten, Datum und Uhrzeit sowie GPS-Daten, die See-, Wind-, Wolkenverhältnisse sowie den Schiffsverkehr und Plastikaufkommen.“ Soweit möglich, hat die Crew das vorbei schwimmende Plastikgut anschließend eingesammelt.
„Das war der absolute Wahnsinn!“
Bei jedem Sichtkontakt mit einem Finnwal hat Eduard Degollada seine Drohne gestartet und die Meeressäuger anschließend aus der Luft gefilmt. Kurz darauf näherten sich die Forscher dem Wal auf dem Begleitboot, versuchten Haut- und Fettgewebe zwecks chemischer und genetischer Analyse zu entnehmen und einen Satellitensender an der Rückenflosse des Finnwals anzubringen. Diese Routinearbeiten der EDMAKTUB-Forscher wurden gekrönt von Momenten, die dem gesamten Team unvergessen bleiben werden: „Nachdem wir uns an Bord über den gesetzten Sender freuten, sprang dieser Finnwal plötzlich mit seinem gigantischen Körper aus dem Meer. Das war der absolute Wahnsinn! Weil wir alle so überrascht von dem waren, was wir da gerade zu sehen bekamen, hat niemand ein Foto machen können. Es dauerte nicht lang, bis der Wal ein zweites Mal aus dem Wasser gesprungen kam. Kaum zu glauben und total verrückt, aber dieser Wal ist noch ein drittes, ein viertes und ein spektakuläres fünftes Mal aus dem Meer gesprungen.“ Dieses Erlebnis wird Tanja Hofmann „in meinem Herzen unvergessen bleiben.“
Im Rahmen ihres einwöchigen Volontariats bei EDMAKTUB bekam Tanja Hoffmann zahlreiche Delfine und Finnwale, aber auch viele andere Meeresbewohner zu Gesicht.
Ähnlich beeindruckend war jener Moment, als sechs Finnwale parallel zueinander an der Oberfläche schwammen und jeder ab und zu einen Blas ausstieß. „Ein Wal ließ sich dann für einen kurzen Moment unter dem zwischen beiden Rümpfen gespannten Netz unseres Katamarans treiben, sodass er direkt unter uns war. Ein magischer Moment!“
Von Walen über Mondfische bis hin zu Großen Tümmlern
Beeindruckt war Tanja Hoffmann aber auch von der technischen Ausstattung, mit deren Hilfe die Crew ihre Projektarbeit dokumentierte. Nicht nur wurden mit hochauflösenden Kameras die Rückenflossen der gesichteten Tiere fotografiert, auch von der Rückenpartie der Finnwale wurden Aufnahmen gemacht. Diese speiste man anschließend als Foto-ID in einen Fotokatalog ein und verglich sie mit bereits zuvor katalogisierten Tieren. Gleichzeitig wurden die GPS-Daten gesichert, die Luft- und Wasserverhältnisse dokumentiert sowie das Verhalten der Meeressäuger und die Anzahl der Blas zeitlich festgehalten.
Zu den Sichtungen während der Expeditionen bekam Tanja Hoffmann neben den Finnwalen unterschiedliche Arten von Quallen, Meeresvögeln, Mondfischen, Schildkröten, Schwert- und Thunfische, Streifen- und Rundkopfdelfine, Große Tümmler, Gemeine Delfine sowie Pilot- und Schnabelwale zu Gesicht. Am Ende dieser Meeresexpedition konnten fünf der acht Sender an den Rückenflossen der Wale fixiert werden, deren Satellitendaten nun verfolgt werden können.
Die Erfahrung an Bord der „Maktub“ bleibt ihr als „etwas Besonderes, etwas ganz Einzigartiges, etwas ganz Außergewöhnliches“ in Erinnerung. Und Tanja Hoffmann kann jedem Interessierten nur wärmstens empfehlen, „einmal die wunderbare Gelegenheit zu haben, mit der EDMAKTUB-Crew auf dem Mittelmeer unterwegs zu sein.“
Ihre hauptsächlich aus Krill, Tintenfischen und kleinen Schwarmfischen bestehende Nahrung sieben Finnwale aus ihren 260 bis 480 Bartenplatten heraus.
Den gesamten Erlebnisbericht von Tanja Hoffmann lest ihr in diesem PDF. Weitere Informationen über EDMAKTUB gibt es hier: www.edmaktub.org
Fotos: EDMAKTUB / Tanja Hoffmann
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