Zerteilt, erlegt, verfüttert und geschützt: Vier Top-News aus der Welt der Wale
Obwohl viele Menschen den Walschutz als wichtig betrachten, ereignen sich nach wie vor zu viele Vergehen gegen die Meeressäuger
Vor der Kanaren-Insel La Gomera wird ein in der Körpermitte zerteilter Pottwal gefunden, der höchstwahrscheinlich einer Schnellfähre zum Opfer fiel. In Japan hat die Walfangindustrie 25 Seiwale getötet – aus einem Bestand von ohnehin nur noch 400 Tieren. Und in Norwegen endet Walfleisch im Hundefutter. Diese aktuellen News machen fassungslos. Es gibt aber auch eine Meldung, die in puncto Walschutz hoffnungsvoll stimmt.
Kanarische Inseln: Gefahr durch Schnellfähren
Ein Bild sagt mehr als 1000 Worte: In den Gewässern vor La Gomera treibt der Kadaver eines Pottwals im Wasser – genauer: die Hälfte eines Pottwals. Das Jungtier wurde in der Mitte zerteilt und ist vermutlich ein weiteres Opfer der Hochgeschwindigkeitsfähren, welche die Kanarischen Inseln miteinander verbinden. Davon geht Fabian Ritter, Meeresschutzexperte sowie Gründer, 1. Vorstand und wissenschaftlicher Leiter unseres Projektpartners M.E.E.R. e.V. aus. Es gebe keine andere Erklärung für einen zweigeteilten Wal, als dass dieser von den scharfen Rümpfen der Fähren erfasst wurde, so Walschutz-Experte Ritter.
Der Pottwal wurde im Rahmen einer Walbeobachtungstour gefunden, zwei Meilen vor der Küste. Derzeit wird der Kadaver untersucht, um sowohl Todesursache als auch Verantwortlichkeit zu ermitteln. Die Kernfrage lautet: War der Wal bereits tot, als er überfahren wurde? Fest steht, dass in den Gewässern der Kanarischen Inseln mit steter Regelmäßigkeit Meeressäuger von Schiffen überfahren werden. Insbesondere für junge, unerfahrene Pottwale ist die Gefahr sehr groß.
Japan: Rücksichtsloser Walfang
Um sage und schreibe 24.000 Tiere wurde die Seiwal-Population westlich von Japan während des industriellen Walfangs im 20. Jahrhunderts dezimiert. Nach Informationen der Internationalen Walfangkommission (IWC) ist es der am stärksten dezimierte Walbestand im Nordpazifik mit heute gerade einmal 400 Seiwalen. In Japan aber denkt man scheinbar nicht einmal daran, die Rest-Population zu schützen, sondern lässt weitere Individuen töten – in der jüngsten Walfang-Mission waren es wieder 25 Tiere. Dies alles geschieht vor dem Hintergrund eines sinkenden Walfleischkonsums in dem Inselstaat.
Norwegen: Walfleisch als Hundefutter
Auch in Norwegen schwindet in der Bevölkerung die Nachfrage nach Walfleisch – was sehr positiv zu bewerten und dem Walschutz zuträglich ist. Ein No-Go ist allerdings, dass nicht verkauftes Walfleisch dazu benutzt wird, um es an Schlittenhunde zu verfüttern. Einem Bericht zufolge wurden im August insgesamt sechs Tonnen zu diesem Zweck an ein Unternehmen in Spitzbergen veräußert.
„Seit Jahren versucht die norwegische Regierung, den Walfang profitabel zu machen, indem sie Subventionen für seine Förderung gewährt”, sagt Siri Martinsen, Tierärztin bei Norwegens größter Tierschutzorganisation NOAH. Dass Zwergwale als Hundefutter enden, zeige das Scheitern dieser Strategie, wird Martinsen auf Geo.de zitiert.
Kanada: Walschutz auf neuen Wegen
Die drei vorangegangenen Meldungen sind nur ein Bruchteil zahlreicher weiterer Aktivitäten gegen Großwale. Sie dokumentieren, wie der internationale Walschutz quasi „harpuniert“ wird. Gleichzeitig gibt es aber auch hoffnungsvolle Signale, wie jenes aus Kanada. Dort wird in zwei Jahren Nordamerikas erstes Refugium für Wale eröffnen. In einem Küstenschutzgebiet von rund 40 Hektar Fläche – gelegen in einem abgelegenen Teil von Nova Scotia – sollen Wale aufgenommen werden, die bis dato ihr Dasein in den Becken verschiedener Meeresparks fristeten. Und dies sind nicht wenige: Allein im Marineland Park Niagara Falls (Ontario) leben 40 Belugas sowie der als einsamster Orca der Welt bekannt gewordene Schwertwal „Kiska“. (Lesetipp: Aus Verzweiflung? Orca „Kiska“ rammt Kopf immer wieder gegen Wand von Delfinarium)
Basis für die Initiierung des Walschutzgebiets ist das 2019 von der kanadischen Regierung verabschiedete Gesetz, das die Zucht oder das Halten von Walen und Delfinen in Gefangenschaft verbietet. Für Tiere, die bereits in entsprechenden Einrichtungen leben, ist dies einerseits ein gutes Signal. Andererseits haben sie bei einer sofortigen Auswilderung keine realistische Überlebenschance, da ihnen jeglicher Jagdinstinkt abtrainiert wurde. An dieser Stelle kommen Refugien wie jenes in Nova Scotia ins Spiel. Ähnlich wie in dem isländischen Pendant können die Tiere in einer abgetrennten Meeresbucht auf das Leben in der Wildnis vorbereitet werden. Dieser Prozess kann allerdings Jahre dauern.
Das Whale Sanctuary Project wird in Nova Scotia mit einer Größe von 40 Hektar geplant.
Das Walschutzprojekt in Kanada schlägt mit 20 Millionen Dollar zu Buche und ist aktuell für eine Belegung von maximal acht Belugas ausgelegt. Um die Meeressäuger in ihrem Refugium zu halten, wird es mit großen Unterwassernetzen umschlossen. Die Gefahr der Übertragung von Krankheiten zwischen Meeressäugern innerhalb und außerhalb des Walschutzgebietes wird derzeit ebenso diskutiert wie mögliche Fluchtmöglichkeiten und die große Ansammlung von Walkot. Letztere ist problematisch, da es in der Bucht an Strömung fehlt, um die Ausscheidungen auf das offene Meer abzutransportieren. Stattdessen könnte der Kot auf den Meeresboden sinken und dort das Ökosystem negativ verändern. Um diese letzten Hindernisse aus dem Weg zu räumen, bleibt den Projektverantwortlichen in Nova Scotia aber noch zwei Jahre Zeit.
Wenn man bedenkt, dass alleine 200 Belugas und 50 Orcas – von Delfinen, Seelöwen etc. ganz zu schweigen – weltweit in beengten Tanks gefangen gehalten werden, kann die kanadische Initiative nur ein erster Schritt sein. Dieser ist aber definitiv ein richtiger. (Lesetipp: Delfinarien: Südkorea wildert weiteren Delfin aus)
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