Geisternetzbergungen “FÜR MEER LEBEN”

Ein Projekt in Kooperation mit der Tauchbasis Prora
Seit September 2018 bergen wir Geisternetze für den Erhalt mariner Biodiversität. Bisher konnten aus dem Atlantik vor der Westküste Irlands, und aus der Deutschen Ostsee bei Rügen die tödlichen Fallen erfolgreich beseitigt werden. Bei unseren aktuellen Geisternetzbergungen “FÜR MEER LEBEN” werden regelmäßig und dauerhaft Geisternetze rund um Rügen geborgen. Dabei werden wir von dem erfahrenen Taucher Wolfgang Frank, Kooperationspartner und Inhaber der Tauchbasis Prora, unterstützt.
Interview mit Geisternetztaucher Wolfgang Frank von Verena Platt-Till

Wolfgang Frank und Verena Platt-Till -Mission German Baltic 2019 Foto: Chris Till
VPT: Sind Sie gebürtig aus Rügen und wie alt sind Sie?
WF: Nein, ich bin ursprünglich aus Magdeburg. Ich kam 1984, während meiner Zeit in der Armee, nach Rügen. Heute bin ich 61 Jahre alt.
VPT: Wie kamen Sie zum Tauchen?
WF: In meiner Armeezeit war ich bei der Panzertruppe. Während einer Unterwasserfahrt, kam ich zum ersten Mal mit einem Kreislaufgerät in Berührung. Ich war sofort fasziniert. Nach diesem Erlebnis beschloss ich einen Tauchschein zu machen.
VPT: Seit wann haben Sie Ihre Tauchbasis?
WF: Meine Frau machte einige Jahre später auch ihren Tauchschein auf Ibiza. Bis uns irgendwann aufgefallen ist, dass wir zum Tauchen nicht ins Ausland fahren müssen, da das Meer quasi vor unserer Haustüre liegt (lacht). Wir beschlossen eine Tauchbasis auf Rügen zu eröffnen. 1994 war es dann auch so weit.
Die erste Begegnung mit Geisternetzen
VPT: Wann haben Sie zum ersten Mal von Geisternetzen gehört?
WF: Von Geisternetzen hörte ich zum ersten Mal 2009, als die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) bei mir anrief. Sie wollten Geisternetze an Wracks filmen. Ich führte das DBU-Team zu einem Wrack, von dem ich wusste, dass dort Fischernetze waren. Das war mein erster Kontakt mit dem Thema „Geisternetze“.
VPT: Warum ist es so schwierig, Geisternetze zu bergen?

Geborgenes Schleppnetz Foto: Chris Till
WF: Die Schwierigkeit liegt unter anderem darin, dass man in den Geisternetzen oft noch allerlei Unrat wie Gehölz, oder Metallteile findet, der sich in den Netzen verheddert hat. Daran kann man sich verletzen. Auch Munitionsaltlasten findet man häufig unter Wasser. Außerdem birgt ein Geisternetz immer die Gefahr sich darin zu verfangen, was gefährlich werden kann. Bei zusätzlich schlechter Sicht kann man mit wenig Taucherfahrung schnell die Kontrolle über sich selbst verlieren.
Auch Sporttaucher können helfen!

Bergung eines Stellnetzes Foto: Wolfgang Frank
VPT: Trotzdem sind Sie der Meinung, dass auch Hobbysporttaucher bei den Aktionen mithelfen können. Ist das nicht zu gefährlich?
WF: Ja, der Meinung bin ich. Aber es liegt auf der Hand, dass der Hobbysporttaucher über ausreichend Taucherfahrung verfügen muss. Zu mir kommen oft Taucher an die Tauchbasis, die zwar eine Menge Brevetierungen haben, aber wenig Tauchgänge. Entscheidend sind aber die Anzahl der Tauchgänge und damit die Taucherfahrung.
VPT: Wieso setzen Sie sich dann so für die Bergung der Fischernetze ein? Sie bergen sie ja überwiegend in Ihrer Freizeit! Warum nehmen Sie dieses Risiko in Kauf?
WF: Tauchen ist meine Leidenschaft und ich suche die Herausforderung. Wenn ich dabei noch Leben retten kann – wenn ich lebende Fische in den Netzen finde, dann befreie ich sie sofort. Zusätzlich kann ich auch verhindern, dass die Ostsee sich durch herrenlose Fischernetze noch mehr mit Mikroplastik anreichert. Das sind für mich ausreichend Argumente Geisternetze zu bergen.
Das Ausmaß ist enorm!
VPT: Wissen Sie, wie groß das Ausmaß an Geisternetzen in der Deutschen Ostsee, bzw. rund um Rügen ist?
WF: Schätzungsweise sind ca. 80% aller Wracks mit Netzen behangen. Wobei die küstennahen Wracks größtenteils bereits betaucht und die Netze geborgen wurden. Wenn wir davon ausgehen, dass um Rügen ca. 800 Schiffwracks auf dem Meeresgrund liegen, dann kann man es sich ganz gut vorstellen. Wobei nur selten neue Geisternetze durch Schleppnetze hinzukommen.

Wrack mit Geisternetzen Foto: Michael Goldschmidt/www.unterwasserwelt.de
Das liegt daran, dass heutzutage weniger mit Schleppnetzen gefischt wird. Mit guten Bodenkarten können die Fischer die Hindernisse wie Schiffswracks gut umschiffen. Bei den Stellnetzen, der heutzutage mit einem Anteil von 88% häufigsten Fischfangmethode, sieht das anders aus.
VPT: Gibt es Aufzeichnungen darüber wieviel Netze bisher in der Deutschen Ostsee geborgen wurden?
WF: Wie viele Netze bisher insgesamt geborgen wurden, kann ich Ihnen leider nicht sagen. Ich persönlich habe bisher ca. 20 große Schleppnetze und unzählige Stellnetze geborgen. Im Jahr 2018 hat allein der WWF sieben Tonnen Netzmaterial in Deutschland geborgen. Aber trotz aller Bemühungen der letzten Jahre, gibt es leider noch viele weitere Netze auf dem Meeresgrund.
Überfischung und Fischkonsum

Fischmarkt Foto: Pixabay
VPT: Was ist Ihrer Meinung nach sinnvoll, um den zukünftigen Eintrag an Geisternetzen zu reduzieren?
WF: Wer den Fischkonsum reduziert, hilft selbstverständlich dabei. Aber von heute auf morgen werden die Menschen nicht aufhören Fisch zu konsumieren. Leider! Ich selbst esse übrigens nur ganz selten Fisch, obwohl ich an der Küste wohne. Eine weitere Maßnahme wäre es, wenn Fischer und Taucher noch besser zusammenarbeiten würden. Bei Verlust eines Netzes könnte sofort ein Taucheinsatzteam zu Hilfe gerufen werden.
Wartet man mit der Meldung eines Netzverlustes zu lange, oder geschieht womöglich gar keine Meldung, dann ist das Netz nach wenigen Tagen aufgrund von Strömungen schon über alle Berge. Insgesamt müsste die Meldepflicht der Netzverluste stärker eingefordert und ein Unterlassen strenger geahndet werden.
VPT: Wie kann man bedrohte Ostseefischarten besser schützen?
WF: Es muss ein staatliches Verbot für das Fischen bedrohter Arten eingeführt werden. Der Europäische Aal sollte demnach derzeit überhaupt nicht mehr befischt werden, denn er gilt als vom Aussterben bedroht. Das Bewusstsein muss sich grundsätzlich ändern und Fangquoten müssen dringend angepasst werden, auch bei Hobbyanglern. Das Baglimit für Hobbyangler liegt bei fünf Dorschen pro Tag – Kutterfischer müssen sich mit maximal drei zufriedengeben, wenn man die Jahresquoten umrechnet. Mehr als ein Drittel der Ostsee-Dorsche gehen auf das Konto von Freizeitanglern. Das Angeln im Meer ist eine bisher unterschätzte Größe.
Gibt es eine Lösung?
VPT: Denken Sie nicht, dass die Bergung von Geisternetzen eigentlich eine staatliche Aufgabe sein müsste?
WF: Doch, das denke ich. Kürzlich hat dazu auch eine Fachtagung in Sassnitz stattgefunden. Regierungsvertreter aus Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein und dem Bundesumweltministerium waren eingeladen. Dr. Till Backhaus, Minister für Landwirtschaft und Umwelt von Mecklenburg-Vorpommern, sagte die Unterstützung bei künftigen Bergungsaktionen zu. Das ist ein großer Erfolg für den Meeresschutz! Das Ausmaß der Bedrohung durch Geisternetze für die Artenvielfalt der Ostsee wurde damit endlich anerkannt.
VPT: Sehr geehrter Herr Frank, vielen Dank für Ihre Zeit!
In Kooperation mit:
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